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Mehr Shouting als Gesang, mehr Punk als Jazz: Dota und die Stadtpiraten.

© promo

Dota und die Stadtpiraten: Ein bisschen schräg, ein bisschen schrill - aber überzeugend

Starke Frauenkonkurrenz gibt es an diesem Abend in Berlin: Jane Birkin singt im Kammermusiksaal, das derzeit schwer erfolgreichen Duo "Boy" tritt im Lido auf. Trotzdem ist es brechend voll beim Konzert von "Dota und die Stadtpiraten" im Postbahnhof.

Wo die Fans voll freudiger Erwartung und Ungeduld "Anfangen! Anfangen!" skandieren, während der Star des Abends - Dota Kehr - noch durch die dicht gedrängte Menschenmenge irrt, unerkannt, als wäre sie eine Zuschauerin, die ganz dicht ran will an die Bühne. Linke Seite …falsch … da kommt sie nicht durch … also den ganzen Weg noch mal zurück durchs Gewühl, andere Seite … da ist sie schon schwer nervös. Die Stadtpiraten, ihre Band, stehen schon oben, spielen schon mal Intro: Grummel-Brummel-Plickern - Bass, Schlagzeug, Kinderklavier.

Dann ist auch Dota da … puh, geschafft, endlich … im schlichten schwarzen Kleid, mit spanischer Akustikgitarre, flirrig flatternd. "Die Liebe ist ein Bonbon und löst sich ganz langsam auf, ein kleiner Nährwert bleibt davon, und den Schmerz nimmt man in Kauf" singt sie. Zu einer Begleitung, einer Instrumentierung, die deutlich schräger am Wind segelt als in der Studioversion, dem Titelsong ihres jüngsten Albums "Bis auf den Grund".

Grumpelig und klirrend erinnert es ein wenig an die Arrangements von Tom Waits' "Swordfishtrombones". Wie auch später die aus einer Halbresonanz-Jazz-Gitarre geschrägelten Töne von Jan Rohrbach an die Waits-Gitarristen Marc Ribot und Fred Tackett denken lassen. Nur dass hier alles fragiler wirkt und gelegentlich auch ein bisschen hakelig.

Reggae und Polka und melancholische Balladen, Barjazz und ein bisschen Bossa Nova zu Dota Kehrs poetischen, sprachlich gelegentlich außergewöhnlichen Texten. Über ungewöhnliche Begebenheiten und Begegnungen, über die Liebe und surrealistische Traumsequenzen. Und das, was "von weitem wie ein Steinpilz aussah", mutiert mit einem "Plopp" zu einem merkwürdigen Wesen und entführt in seltsame Verwicklungen. Sehr witzig halluziniert sich der Song "Die Fee" durch eine wahnwitzige Geschichte.

Dotas Texte kratzen tief unter der Oberfläche, wo sie Schichten bizarrer Bilder freilegen, während ihre Gesangsmelodien gelegentlich hart an der Intonation entlang schrammen. Wodurch man geneigt ist, sie für eine weitaus größere Poetin zu halten denn als Sängerin. Mehr für eine Shouterin als Balladen-Interpretin. Mehr im Punk verwurzelt als im Jazz.

Doch gelegentliche Unstimmigkeiten, Verstimmtheiten liegen vermutlich an der Aufgeregtheit, der flatterigen Nervosität der Sängerin an diesem speziellen Abend. "Ich bin hundertmal, ach was, tausendmal aufgeregter, wenn ich in Berlin spiele als woanders!", bekennt sie später kichernd. Doch da hatten sich alle Verkrampfungen längst aufgelöst und das Konzert hat mächtig Fahrt aufgenommen. Mit dem tollen melodisch angepunkten "Oh-Oh-Oh-Ohrsteckermädchen". Und "Tempomat", einem rasanten Song, der mit flottem kantig stakkatohaftem "Dalli-Dalli-Ruck-Zuck" dort anknüpft, wo Ideal als Vorreiter der "Neuen Deutschen Welle" in den 80ern einst aufgehört hatten.

Der Reggae "Utopie" weht musikalisch und politisch im Geiste von The Clash. Wie auch der Song "Menschenklone", wo der Bassist Leon Schurz und der Drummer Nicolai Ziel jetzt eindrucksvoll zeigen, wie gut sie doch auch mit Reggae-Rhythmen umgehen können.

Und längst tanzt der ganze Saal und alle singen mit, "Aber Hey", und amüsieren sich prächtig. Und es kommen noch jede Menge Zugaben. Überzeugend.

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