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Esbjörn Svensson: Klangdesigner

Zum Tod des Jazzpianisten Esbjörn Svensson.

Von Gregor Dotzauer

Was immer man unter Jazz versteht, ohne improvisierte Soli lässt er sich kaum vorstellen. Insofern war der schwedische Pianist Esbjörn Svensson eine epochale Erscheinung. Zusammen mit Bassist Dan Berglund und Schlagzeuger Magnus Öström betrieb er in seinem nach ihm benannten Trio E.S.T. Jazz als Konzeptkunst. Die Harmonik, die Themen, die rhythmische Aufbereitung – von der Ballade bis zum funkigen Gewitter bewegte sich alles im Idiom einer zeitgenössisch-europäisch geprägten Jazzsprache. Doch Soli oder kollektive Improvisationen, die seinen Kompositionen noch einmal eine andere Farbe, ja womöglich eine andere Gestalt verliehen hätten, suchte man vergebens. Die wenigen Soli, die er einstreute, waren nicht weniger dekorativ als die Gesamtarrangements, gleich ob er neuromantisch Empfindsames auf den Spuren von Keith Jarrett auskostete, der sich im Umgang mit dem Material freilich jede Freiheit nimmt, oder hitzige Bebop-Rasereien veranstaltete.

E.S.T. machten Jazz als Designgegenstand und mit dem Oberflächenglanz des Pop. Damit wurden sie weltberühmt und stilbildend für Klaviertrios wie The Bad Plus. Die in über 15 gemeinsamen Jahren gewachsene Verschworenheit von Svensson, Öström und Berglund, ihre Virtuosität und klangliche Delikatesse darf man aber so wenig unterschätzen wie das Feuer, das im Inneren ihrer zurechtgeschliffenen, jederzeit reproduzierbaren Stücke glühte. Die hochrepetitive Musik von E.S.T. entwickelte eine überwältigende Kraft, wenn sich minutenlang Ostinati im Unisono von linker Klavierhand und Kontrabass durch Esbjörn Svenssons Kompositionen wälzten, angetrieben von Drum’n’Bass-Patterns, die Öström auf seinem Schlagzeug nachempfand. Als Einstiegsdroge zu ereignishafteren Formen des Jazz hat dieser mit elektronischen Gimmicks flirtende Ambient Sound, der auch die Ecken und Kanten von Thelonious Monks Stücken neu glänzen lassen konnte, wahrscheinlich mehr Leuten gedient als jede Art von Fusion Jazz zuvor: Die Neigung von E.S.T. zum Auftritt mit Lightshow und Trockeneisnebel tat ein Übriges.

„We always solo, we never solo“ verkündete Joe Zawinul Anfang der siebziger, als er mit seiner Band Weather Report noch das wilde Hexengebräu aufkochte, das er als Pianist bei Miles Davis kennengelernt hatte. E.S.T. hat diesem Programm einen ganz neuen Sinn verliehen. Am vergangenen Wochenende ist Esbjörn Svensson, der größte Star des skandinavischen Jazz, mit 44 Jahren bei einem Tauchunfall vor Stockholm ums Leben gekommen. 

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