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© Martin Langhorst

Interview: Markus Kavka: "Busta Rhymes wollte 100 Kondome"

...und auch sonst haben Popstars jede Menge merkwürdiger Sonderwünsche. Markus Kavka spricht im Tagesspiegel-Interview über sein Treffen mit Madonna und die betrunkene Amy Winehouse.

Herr Kavka, werden Sie sich die European Music Awards ansehen?



Klar. Ich bin da sogar beschäftigt, ich werde auf der Außenbühne den Auftritt von U2 ansagen.

Sie haben doch vor einem Jahr Ihren Job bei MTV verloren.

Die Festanstellung als Produzent habe ich verloren, ich bin jetzt freier Mitarbeiter und gehe einmal pro Woche in das Studio, um die Sendung „Brandneu“ zu moderieren.

Als bekannt wurde, dass die Show in Berlin stattfindet, rissen sich im Sender sicher alle darum, die Gästebetreuung zu übernehmen – das sogenannte Talent Escort?

Es fand ein regelrechter Run auf die Plätze statt. Es hängen Listen aus, auf denen kann man sich eintragen, auch Praktikanten. Es reicht ja, ein umgänglicher Charakter zu sein und gut Englisch zu sprechen. Die Frauen reißen sich um Typen wie Justin Timberlake oder Robbie Williams… Ich schätze, der Talent Escort von Amy Winehouse wird seinen Job nie wieder machen wollen.

Auf den EMAs in München 2007 war Amy Winehouse zwar körperlich anwesend…

…sonst war sie wirklich in keiner guten Verfassung. Ich stand mit Pete Dohertys Band Babyshambles am Roten Teppich, Amy Winehouse ging vorbei, einer der Musiker rief zu ihr hinüber „Hey, wie geht’s?“ – und sie fragte nur: „Wer bist Du?“ Und die beiden kannten sich seit langem. Da kann ein Talent Escort natürlich überfordert sein.

Wer ist noch so ein schwieriger Fall?

Wenn man Missy Elliott betreut, hat man eine Entourage von mindestens 20 Leuten im Schlepptau. Eine Handvoll Tänzer, ein paar Rapper, ein DJ, ein Masseur, ein Koch, vielleicht ein Personal Trainer, die Manager und die Freunde des Managements. Im Laufe des Abends platzt die Garderobe aus allen Nähten, man sieht die Hand vor Augen nicht, weil gekifft wird, dass die Schwarte kracht.

Es kursieren wilde Gerüchte über Sonderwünsche der Stars. Wie lang sind solche Listen?

Bei kleineren Künstlern eine Seite. Da steht nichts Weltbewegendes drauf – 20 Dosen Red Bull, eine Flasche Champagner, Süßigkeiten und so weiter. Manchmal gönnen sich Künstler den Spaß und wollen schauen, wie weit sie gehen können. Einer verlangte mal Gummibärchen, aber nur die weißen und grünen. Das machen wir nicht. Der Rapper Busta Rhymes wollte 100 Kondome in der Garderobe, der alte Angeber schien also noch einiges vorzuhaben. Justin Timberlake forderte eine Playstation mit bestimmten Spielen, das gab ihm das Gefühl, zu Hause zu sein. Und die Hip-Hopper wollen gerne mal den allerteuersten Champagner.

Und das ist?

Roederer Cristal, eine besondere Auslese, die kostet 400 Euro. Den muss man dann schon besorgen.

Wo wird mehr getrunken – auf der amerikanischen oder auf der europäischen Preisverleihung?

Auf der europäischen. In New York läuft das backstage sehr gesittet ab. Pink war einmal betrunken, das war’s. Wenn ich mir dagegen ansehe, was in Europa vor den Auftritten geschluckt wird…, doch, da geht schon einiges weg.

Und der Talent Escort soll aufpassen, dass sich die Stars nicht betrinken.

Die Aufgabe besteht darin zu gewährleisten, dass die Stars zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Und das heißt: Dass die Stars über den Teppich laufen, zum Auftritt pünktlich erscheinen und nach dem Auftritt Interviews im Presse-Zelt geben. Wie sie das schaffen, ist völlig egal! Ich habe nie gehört, dass ein Betreuer sich nach Art von Flugbegleiterinnen getraut hätte zu sagen: Sie haben genug. Es wäre auch fatal, den Herrschaften Alkohol vorzuenthalten. Die würden sonst nicht auftreten.

Oder sie können nicht, weil sie besoffen sind.

Amy Winehouse wurde tatsächlich von Manager, Redakteur und Talent Escort mit vereinten Kräften auf die Bühne gezerrt. Sie war dann mehr schlecht als recht, sang die ganze Zeit nur „Mmmmmmmmm“. Aber sie stand auf der Bühne!

MTV hat sich von vielen redaktionellen Musikformaten getrennt. Im vergangenen Herbst wurde Ihre Show abgesetzt, die „MTV News“. Sie konnten sich nicht einmal von den Zuschauern verabschieden. Was passierte damals?

Das war eine Entscheidung Knall auf Fall. Ich erhielt an einem Freitag die Mitteilung, dass die Sendung eingestellt wird. Am Montag durfte ich wegen der Nachrichtensperre nichts sagen, am Dienstag moderierte meine Kollegin Nina Eichinger, am Mittwoch gab’s schon keine Sendung mehr.

Sie fühlten sich nicht erniedrigt?

Ich neige nicht zu Sentimentalitäten. Die Situation war einfach schräg, weil ich auch den Kollegen nichts sagen durfte. Ich habe wie in Trance gearbeitet. Und ich konnte niemanden persönlich für das Aus verantwortlich machen. Gerade bei MTV verliert sich so eine Entscheidung in den Unweiten des amerikanischen Mutterkonzerns. Und „finanzielle Gründe“ sind dann ja meistens auch ein Totschlagargument.

Sehen Sie sich als Opfer der Wirtschaftskrise?

Nein, wir waren Opfer der andauernden Krise der Musikindustrie. Sie hatte natürlich enorme Auswirkungen auf den Haushalt von MTV.

Die Absetzung hat Ihre Lebenssituation verändert. Hat die Bank gleich Ihren Dispo gekürzt?


Nein, der war immer schon lausig. Trotzdem, ich hatte Angst vor wirtschaftlichen Problemen. Zum Glück konnte ich nahtlos im ZDF moderieren sowie eine neue Sendung für Kabel Eins produzieren. Sonst hätten die Optionen düster ausgesehen: im März eine Anfrage für das „Promi Dinner“, im September für das „Dschungel Camp“ – und ich hätte mir überlegen müssen, das aus finanziellen Gründen anzunehmen.

Ex-Kolleginnen wie Sarah Kuttner und Charlotte Roche haben mit Romanen Furore gemacht.

Ich schreibe tatsächlich gerade an einem Buch, es soll nächsten Herbst erscheinen. Dabei greife ich auf meinen biografischen Fundus zurück. Es wird aber keine Generalabrechnung mit dem Musikfernsehen. Ich schreibe über einen Menschen, der nach einer einschneidenden Erfahrung wieder dorthin zurückkehrt, wo er aufgewachsen ist.

Nehmen Sie sich eine Auszeit für das Schreiben und gehen in Klausur?

Ich brauche Remmidemmi um mich herum. Tatsächlich kann ich am besten in meinem Büro schreiben, in dem auch noch zwei andere Kollegen arbeiten. Bei totaler Stille fällt mir nur Quatsch ein.

Sie machen dann alles, nur nicht arbeiten?

Neulich bin ich in den Keller gegangen und habe fünf blaue Ikea-Tüten voller Klamotten durchgesehen, um zu schauen, ob sich doch noch etwas findet, was ich anziehen kann.

Und?

Einen schwarzen Pullover. Der Rest waren hauptsächlich T-Shirts mit Logos drauf. Oder ich räume meine iTunes-Bibliothek auf, weil ich nicht mehr alle Lieder auf dem iPod haben möchte.

Welche Lieder sind rausgefallen?


Fast alles von Coldplay. Die Band hat an Nerv-Potenzial deutlich zugelegt. Ich hatte sämtliche Alben von The Cure auf dem iPod. Es reicht, einige Songs zu haben. Die einzige Band, die mich musikalisch kaum enttäuscht, ist Depeche Mode.

Haben Sie die Band mal interviewt?


Mehrere Male. Ich glaube, ich hatte das Glück, fast alle Musiker treffen zu dürfen, die auf meiner Wunschliste standen.

Mit welchem toten Künstler hätten Sie gerne gesprochen?


Johnny Cash in der Spätphase – und Michael Jackson. Mich hätte interessiert, ob man ihn auf einer menschlichen Ebene knacken kann. Bei all seinen Interviews dachte man doch, der ist gar nicht richtig anwesend.

Sie haben drei Mal Madonna interviewt. Die dürfte schwierig sein.


Sie bringt ihr eigenes Personal mit, das das Licht einstellt. Es darf weder zu kalt noch zu heiß sein, es dürfen sich nicht viele Personen im Raum aufhalten. Man baut eine Stunde das Set auf, Madonna kommt herein, scannt die Situation und setzt sich dann auf den Stuhl gegenüber. Bei ihr habe ich das Gefühl, vor mir sitzt eine reflektierte Person. Sie hat viel Ahnung von Musik. Ich war beeindruckt von ihrem Auftreten. Auch weil im Vorfeld die Managerin Liz Rosenberg so ein wahnsinniges Heckmeck veranstaltet hat. Sie kontrolliert, welche Blumen in der Vase stehen, wo die Vase steht, wieselt in der Stunde des Aufbaus herum und weist jeden an, was er wie besser zu machen hat.

Wie schätzen Sie generell das Verhältnis von Künstler und Manager ein?

Manager sind dafür da, ihren Künstlern Ungemach zu ersparen. Auch mit Peter Mensch, dem Manager von Metallica, ist nicht gut Kirschen essen. Man darf nie vergessen: Die betreuen nicht nur Künstler, sondern einen mittelgroßen Konzern. Und die Aufgabe besteht natürlich auch darin, die Bilanz zu verbessern.

Mussten Sie bei Madonna die Fragen vorher einreichen?


Nein, das passierte tatsächlich überhaupt nur einmal. Das war in diesem Jahr, ich interviewte Jon Bon Jovi. Das Management wollte den Fragenkatalog sehen – und hat alle Fragen herausgestrichen, die Vergangenheit, Privates oder Aussehen – also Klamotten und Haare – betrafen. Im Gespräch selbst hat Bon Jovi problemlos darüber geplaudert.

Nach 20 Jahren Musikgeschäft: Mit welchen Aspekten der Jugendkultur können Sie nichts anfangen?

Musikalisch kann ich alle Sachen verstehen. Aber ich habe mir keinen Klingelton heruntergeladen. Ich besitze auch keine Playstation oder nutze Instant-Messenger auf meinem Computer.

Sie haben ein Konto bei Facebook.

Ich habe die Chat-Funktion aber abgestellt. Meine Seiten auf Facebook, Twitter und Myspace betreue ich selbst. Alle drei Plattformen nutze ich beruflich. Das ist ein Marketinginstrument, um meine DJ-Daten, Lesungen oder die neuen Folgen meiner Internet-Show „Kavka vs. The Web“ anzukündigen. Die sehen sich dann mindestens 35 000 Menschen an, einzelne Folgen hatten 70 000 Zuschauer. Es ist ein neues Medium, für das ich aber erst einmal die Umgangsformen lernen musste.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Die Reaktionen sind viel unmittelbarer. Ich habe auch schnell bemerkt, dass im Netz eine Verschiebung stattgefunden hat – weg von konstruktiven Beiträgen, hin zur Polemik. Wenn man es positiv formulieren möchte: Die Netzgemeinde ist über alle Maßen kritisch. Ich habe längst aufgehört, mich zu googeln. In meinem Wikipedia-Eintrag stand mal „Markus Kavka lebt mit seinem Lebensgefährten Stefan in Berlin“. Über Umwege kam das zu meiner Freundin, so hörte ich davon.

Sie haben den Eintrag geändert?


Ich war so frei, die Passage zu streichen. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Deshalb habe ich mir angewöhnt, nichts über mich im Netz zu lesen. Sonst drehe ich irgendwann durch.

Sie wuchsen in Ingolstadt auf. Wie sah Jugendkultur Mitte der 80er Jahre dort aus?


Ich war Gothic, damals das kleinste Grüppchen. Wenn man beide Augen zudrückte, waren wir sieben. Zwei waren nicht ganz konsequent, die haben sich die Haare an der Seite nicht abrasiert, sondern nur hochgeföhnt. Dann gab es Glatzen, die mit den Psychobillys abhingen. Das waren die schlagkräftigen Jungs. Die Skins und Psychobillys klatschten die Grufties, die niemandem etwas getan haben. Die Rocker verdroschen die Popper, Punks, Ökos und Grufties. Und die Punks griffen die Popper an.

Haben Sie Schläge einstecken müssen?


Oft. Als wir zu unseren Szene-Diskotheken nach Schwabach und Nürnberg fuhren, warteten die Glatzen vor dem Laden, bis der Abend vorüber war und veranstalteten fröhliche Treibjagden auf uns. Da musste man sich etwas einfallen lassen. Eine Zeit lang konnten wir die Tiefgarage unter der Diskothek „Wave“ nutzen. Eigentlich war sie geschlossen, aber wir haben zwei Mieter aus dem Haus überzeugt, ein ganz normales Ehepaar in den Fünfzigern, dass sie uns hineinlassen und wieder hinaus.

Journalisten sollten nicht mit denen befreundet sein, über die sie berichten. Einverstanden?


Finde ich nicht. Ich habe aber nur die Nummern von Brian Molko oder Thees Uhlmann im Handy. Man muss nur den Mut haben, auch mal kritisch zu sagen: Du, deine Platte ist nicht so gut geworden.

Und das haben Sie getan?


Im Fall von Molkos Band Placebo vor der Kamera.

Die EMA-Show findet in der O2 World statt. Sie leben in Kreuzberg, dort ist dieser Veranstaltungsort sehr umstritten.

Ich war in den letzten Jahren Stammgast der Bar 25, viele meiner Freunde sind Anhänger der Hedonistischen Internationale. Diese Bewegung hat zum Beispiel die Boot-Blockade organisiert, als Investoren das Ufergelände für Mediaspree ansehen wollten. Ich denke wirklich, im Zuge von Mediaspree wird ein wichtiger Teil der Berliner Stadtkultur zerstört. Ich lebe da in einem großen Zwiespalt. MTV und Universal Music haben als Erste ihre Zentralen dorthin verlegt und damit die Grundlage für Mediaspree gebildet.

Ihr Vorschlag wäre: Mediaspree versenken – außer MTV?

Da ist was dran. Ich arbeite am Osthafen und verbringe meine Freizeit in all den kulturellen Einrichtungen, die von Schließung bedroht sind. Ich weiß, man kann nicht Zehn-Jahres-Garantien für jeden Bretterverschlag-Club geben, aber man muss sich fragen, ob die Verdrängungsmechanismen dem Mythos Berlin nicht schaden. Die geplanten Bürogebäude sind doch nicht ansatzweise vermietet.

Können Sie sich denn ein Leben ohne MTV oder Musikfernsehen vorstellen?


Ja, im Prinzip ist das bereits im Gange.

Sie werden zu alt für das Zielpublikum.


Ich war schon immer zu alt für MTV. Als ich hier anfing, war ich 33. Mich hat man bestimmt nicht engagiert, weil ich so ein süßer Boy bin.

Madonna meinte, Sie sehen aus wie Brad Pitt.

Das haben ihr ihre schwulen Stylisten gesteckt. Sie meinte dann „Ja, da ist was dran...“. Natürlich ist das schöner als zu hören, ich würde wie Horst Tappert aussehen.

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