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Harris

© dpa

Konzertkritik: Emmylou Harris: Cosmic Queen

Ohne großes Scheinwerfer-Trara, ohne Videowände, ohne geplusterten Deko-Kitsch. Diesen ganzen Madonna-Mist hat sie nicht nötig. Emmylou Harris betört im Berliner Tempodrom.

Nachdem das letzte Konzert wegen Krankheit abgesagt worden war, mussten die Berliner Fans von Emmylou Harris ein paar Jahre warten. Aber jetzt ist sie da, kommt im kleinen Cowgirl-Schwarzen, mit wehendem Silberblondhaar und kecken Stiefeln auf die sparsam möblierte Bühne des Tempodroms, tosend umjubelt: „Here I Am!“ Ohne großes Scheinwerfer-Trara, ohne Videowände, ohne geplusterten Deko-Kitsch. Diesen ganzen Madonna-Mist hat Emmylou nicht nötig. Sie ist einfach da, sie selbst, mit ihrer bezaubernden Stimme und der großen J-200-Gibson-Akustikgitarre. „Here I Am“, der Song stammt vom Album „Stumble Into Grace“ (2003). Da ist gleich wieder der anrührend klare Emmylou-Ton mit dem unverwechselbaren Timbre und Phrasing. Anmutig, graziös. Kein Zweifel: Sie ist die Königin der „Cosmic American Music“.

Zum Blühen gebracht hat sie diese Anfang der Siebziger sensationelle neue Mischung aus ländlicher Countrymusik und urbanem Rock ’n’ Roll mit ihrem Entdecker, Mentor und Duettpartner, dem 1973 26-jährig verstorbenen Gram Parsons. Noch einmal singt sie einen seiner schönsten Songs: „The Return Of The Grievous Angel“. Nahtlos verbindet Harris klassische Countrysongs von Buck Owens und George Jones mit Singer-Songwriter-Folk von Townes Van Zandt und ihren neueren, bizarr schwirrenden Klängen, die sie 1995 entdeckte und damit dem Country eine neue Richtung wies. Mischt sie mit eigenwilligen Interpretationen der Lieder jüngerer Kollegen wie Gillian Welch („Orphan Girl“)und Steve Earle („Goodbye“).

Schade nur, dass das Zusammenspiel der Band nicht so richtig zündet. Zwar sind die fünf wackeren Begleiter veritable Könner an wechselnden Instrumenten, Bass, Schlagzeug, Piano, Akkordeon, elektrischen und akustischen Gitarren, Mandoline und Fiddle. Doch die Magie musikalischer Einheit mag sich nicht einstellen. Ein besonderer Zauber entsteht allerdings zwischendurch: Wenn die Texanerin Kimmie Rhodes, die schon im Vorprogramm betört hatte, im Duett mit Emmylou „Love And Happiness“ und „Shores Of White Sand“ singt; Wenn Emmylou sich mit zwei ihrer Mitspieler um ein einziges Mikrofon drängt zu einer zauberhaften A-cappella-Version von „Bright Morning Star“ und schließlich mit akustischem Instrumentarium der wilde Bluegrass-Schüttler „Get Up John“ dahergerattert kommt. Möge Emmylou ihre Berliner Fans nicht wieder so lange auf ein nächstes Konzert warten lassen. 

H.P. Daniels

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