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Jason Isbell and the 400 Unit.

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Konzertkritik: Jason Isbell and the 400 Unit im Postbahnhof

Jason Isbell zieht vor nur rund zwei Dutzend Leuten im Postbahnhof sein Konzert durch. Er macht das sehr cool, ein bisschen gelangweilt und mit runtergezogenen Mundwinkeln - aber doch routiniert.

Irritiert schaut man sich um: kein Mensch zu sehen. Falscher Tag? Falscher Ort? Falsche Uhrzeit? Falsches Konzert? Nein, da sitzt doch jemand an der Kasse vom Postbahnhof, und da hängt auch ein Plakat: "Heute: Jason Isbell and the 400 Unit" - doch, man ist richtig. Nur sonst ist niemand da. Drinnen im kleinen Fritz Club versammeln sich irgendwann gerade mal zwei Dutzend Leute. Mehr werden es nicht.

Dabei hätte alleine schon die Vorgruppe "These United States" eine ganze Hallevoll Fans verdient. Fünf Burschen aus fünf unterschiedlichen Staaten der USA, mit Haaren und Bärten, abgerockter Telecaster und Akustikgitarre, blitzender Pedal Steel, abgerockten Jeans und Schuhen, Bass und Schlagzeug, rocken mächtig ab - in einer mitreißenden Mixtur aus Alternativcountry und grobem Rhythm 'n' Blues. Mühelos bringen sie zwei Dutzend Leute zum Schwingen mit ihrem gefühlvoll rohen Sound, der angenehm an die Mike-Bloomfield-Dylan-Ära erinnert: Highway 61 Revisited. Und dann ist da noch diese charmant abgedrehte Gesangsstimme, die wiederum klingt wie eine aufgekratzte Fusion aus Bob und Mick.

"Immerhin zwei Dutzend Leute hier", sagt der Sänger vergnügt, "die dann auch noch ruhig und aufmerksam zuhören! Das ist doch besser als ein Haufen besoffen krakeelender Rock 'n' Roll-Idioten!" Klasse Band: These United States. Merken wir uns. 

Der 32-jährige Jason Isbell wirkt dagegen wie ein abgebrühter Routinier. Von 2001 bis 2007 war er einer der drei Lead-Gitarristen/Sänger/Songschreiber der formidablen Southern Rock/Country-Band Drive-By Truckers, mit denen er einige exquisite Alben aufgenommen und hunderte von Konzerten gegeben hat. Auch mit eigener Band hat er anschließend wirklich gute Platten veröffentlicht, jetzt ganz neu das exzellente Album "Here We Rest".

Eigentlich müsste ihm auch in Berlin ein größeres Konzertpublikum zuströmen. Aber das Leben kann ungerecht sein und hart, das Rock 'n' Roll-Leben sowieso. Da muss man vielleicht ein bisschen abgebrüht sein und Routinier. 

Isbell zieht sein Ding durch, auch vor zwei Dutzend Leuten. Sehr cool, ein bisschen gelangweilt und mit runtergezogenen Mundwinkeln steht der leicht angepummelte Mann aus Alabama im Atlanta-T-Shirt mit kurzen, zurückgeölten 50er-Jahre-Rock-n-Roller-Haaren auf der Bühne. In einem für ihn typischen Midtempo-Country-Rocker zeigt er gleich mal seine feine Gitarrenspieltechnik, Country-Stil, mit gleichzeitigem Flat- und Fingerpicking. Seine Duesenberg-Starplayer-TV-Goldtop-Gitarre jagt er gleich darauf in steiniges Rockgeriffe und setzt darüber seine angenehme Stimme: "Are you dreaming out loud? / Are you scared of a crowd? / Well, I’m heading home / Go it alone…" 

Träume macht er laut und hörbar, in warmen aus den Akkorden der Rhythmusgitarre gezerrten Solopassagen. Manchmal ist die Gitarre ein bisschen zu laut, als wollte Isbell die klaffenden Lücken im Auditorium mit Lautstärke füllen. Und dann muss er auch noch die ganze Arbeit an der Gitarre alleine machen. 

Vermutlich ist es eine Sparmaßnahme, dass Jason Isbells Band The 400 Unit nur mit halbem Personal erschienen ist: mit Jimbo Hart, auf dessen solides Bassfundament der Gitarrist seine einsamen Klangebilde türmen kann. Und dem Drummer Chad Gamble, der lässig wechselt von sachte wischenden Besen zu knallenden Knüppeln. 

Brillant wie die Band auch agiert und wie Isbell die Gitarre traktiert: mit präzisen Double-Stops in "This Goddamn Lonely Love", mit rasanten Slide-Passagen in "We've Met", einem feinen Blues-Solo in der berauschenden Soul-Ballade "Hurricanes And Grenades" - man vermisst trotzdem sehr schmerzlich den Rest der Band: den zweiten Gitarristen, der sonst mit Isbell so wunderbar die Melodien und Rhythmen ineinander verwebt und den Organisten/Pianisten, der den Songs und Klängen noch so eine fundamentale zusätzliche Farbe verleiht. Das fehlt dem Trio heute. 

Ebenso schade ist es, dass Isbell seine drei solo vorgetragenen Singer/Songwriter-Stücke statt mit einer Akustikgitarre auch zur dröhnenden E-Gitarre singt.

Doch schon ist die Band wieder zurück für den feinen Countryrock-Song "Codeine", und Isbell dreht noch mal mächtig auf mit "Never Gonna Change", mit knalligen Riffs, in denen sich Erinnerungen offenbaren an bessere Zeiten des Jimmy Page und an die große Ära von Cream. Alles verquirlt sich sehr schön und sahnig und geht schließlich über in "Stone Free", den ersten Song, den Jimi Hendrix einst komponiert hatte. Nach 70 Minuten ist Schluss. Keine Zugabe.

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