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Moby

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Konzertkritik: Moby: Nostalgie in Neukölln

Mit guter Band und launischem Temperament begeistert Moby im Heimathafen Neukölln ein Publikum in Partylaune

Ein überraschend bescheidener Rahmen für einen Musiker, der gut 20 Millionen Platten verkauft hat: Bei Mobys Auftritt, einem von nur drei Solokonzerten in Europa anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Albums, ist der Heimathafen Neukölln zwar ausverkauft, mit vielleicht 500 Zuschauern aber keineswegs bis in die letzte Ecke gefüllt.

Moby ist in seiner Erscheinung die Antithese zu jeglichem Popstar-Glamour: ein glatzköpfiges Männlein, das sein asketisches Gitarrengeschrubbe durch unruhige Wiegeschritte konterkariert und mit verkniffenem Mund die Einsätze seiner fünfköpfigen Band zu beargwöhnen scheint. Auch wenn sich der 43-Jährige im Lauf der kommenden anderthalb Stunden merklich lockert und mit kleinen Anekdoten und subtilem Humor Sympathiepunkte sammelt, gibt es immer wieder Momente, in denen er den autoritären Bandleader markiert. Wenn Drummer Andy Treacey bei der Coverversion von Joy Divisions „New Dawn Fades“ etwas zu forsch den Takt vorgibt, bricht der Meister eben ab und lässt noch mal von vorn beginnen.

Handfester Electropop

Aber eigentlich kann sich Moby auf seine überwiegend weiblichen Begleiter verlassen. Gekonnt übersetzen sie die fluffigen Dancefloor-Grooves in handfestere Electropop-Formate. Nicht immer gelingt die Transformation: So wird das irisierende „We‘re all made of Stars“ mit einer metallischen Disko-Partitur überschrieben und von Mobys quietschendem Gitarrensolo zu einem unnötig lärmenden Finale geführt.

Am heftigsten bejubelt werden Mobys große Hits aus den späten Neunzigern: Songs wie „Natural Blues“, „Porcelain“ oder „Why does my Heart feel so bad?“ waren der Wohlfühl-Soundtrack zur Dotcom-Blase, transportierten in ihrer melancholischen Melodik indes schon die Ahnung kommender Abstürze. Die seinerzeit aus Samplings historischer Aufnahmen bestehenden Gesangsparts werden von der stimmgewaltigen Joy Malcolm akkurat nachempfunden. Nostalgische Gefühle weckt Mobys erster Hit „Go“, der als muskulöses Rave-Monster wiederaufersteht und an vergangene Partyausschweifungen erinnert. Bei den neuen Songs überzeugen vor allem die sanft rollenden Balladen, bei denen Kelli Scarr hinter ihrem Keyboard hervorschlüpft und mit klarer weißer Countrystimme ein Gegengewicht zu Malcolms schwarzem Soulgesang schafft.

Ungewöhnliche Coverversionen

In den begeistert erklatschten Zugaben widmet sich Moby nochmals seiner Vorliebe für ungewöhnliche Coverversionen: Neil Youngs „Helpless“ wird mit dem nötigen Pathos zelebriert, das stampfende „Lift me up“ bietet den Sängerinnen Gelegenheit zu einem furiosen Duell. Beim abschließenden „Honey“ piesackt Moby die gute Joy Malcolm ein wenig, indem er sie nötigt, zu seinem fiesen Blues-Sologegniedel zu improvisieren. Sie entledigt sich dieser lästigen Pflicht mit der Wucht der routinierten Soul-Röhre. Dagegen kommt kein Gitarrenverstärker an.

Jörg W, er

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