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Supergrass Konzert

© Davids/Darmer

Konzertkritik: Supergrass: Drahtbürste drüber

Aufsässig lässig: Supergrass überzeugen im leider nur halbvollen Postbahnhof.

Brüder haben in Rockbands oft ein spezielles Verhältnis zueinander. Die Streitigkeiten der Gallaghers bei Oasis sind legendär, und auch bei Supergrass scheint unter gleich drei Brüdern nicht alles eitel Sonnenschein zu sein. Gaz Coombes ist seit Gründung der in den Neunzigern sehr erfolgreichen Britpopper aus Oxford Chef der Band, wogegen der vier Jahre ältere Rob als Keyboarder immer ein Ergänzungsmitglied blieb. Er scheint mit dieser Rolle kein Problem zu haben und verrichtet gewissenhaft seinen Tastenjob. Charly Coombes ist mit 27 der jüngste und das Enfant terrible: Während die vier übrigen Supergrassler im halbvollen Postbahnhof sehr engagiert zu Werke gehen, versteckt er sich hinter einer großen Sonnenbrille, dengelt lustlos auf ein paar Kuhglocken rum, schrubbt nachlässig Gitarrenakkorde und missachtet konsequent das Rauchverbot.

Allerdings macht sich sein aufsässiger Gestus im Gruppenkontext ganz gut, lässt er doch das energische Treiben der anderen geradezu heroisch erscheinen. Vor allem Gaz wirft sich als Sänger und weitgehend alleinverantwortlicher Lead- und Rhythmusgitarrist so sehr ins Zeug, dass ihm nach wenigen Minuten der Schweiß vom Kinn tropft. Nicht nur optisch pflegt er einen lässigen Schnurrbart-Zauselhaar-Retrolook, auch die Intensität seiner schleifenden Kurzsoli erinnert an Jack Whites Bluesrock-Exegeten The Raconteurs.

Supergrass-Songs sind krachende Energieentladungen, die auf klassischem Sixties-Britpop von Kinks und Small Faces aufbauen. Gaz’ Gesang ist manchmal krächzend und blechern verstimmt, was den älteren Hits wie „Moving“ oder „Pumping on your Stereo“ etwas von ihrer melodischen Politur nimmt. Dafür bekommt ihnen die rustikale Bearbeitung mit der Drahtbürste sehr gut, die Songs schillern dunkler und harmonieren prima mit jüngeren Titeln wie „Rebel in you“ von der in Berlin aufgenommenen neuen Platte „Diamond Hoo Ha“, das den Ziggy-Stardust-Glamrock von David Bowie beerbt.

Ihren größten Hit spielen Supergrass nicht: „Alright“ war 1995 der „We are young“-Aufbruchsschrei, er gilt 13 Jahre später nicht mehr. Aber trotz sinkender Zuschauerzahlen brauchen Supergrass den Vergleich mit der nächsten Britpop-Generation nicht zu scheuen. Nach 75 begeisternden Minuten tankt sich Danny Goffey durch sein Schlagzeug und taumelt mit den anderen von der Bühne. Well done, Lads!

Jörg W, er

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