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Hat als Sängerin gewonnen. Lena in der O2-Arena.

© Imago

Konzertpremiere in der O2-World: Lena: Das erste Mal

Richtig Party: Lena hat ihre Deutschlandtour in der Berliner O2-World gestartet. Eine Konzertkritik zu einer Konzertpremiere.

Die Welt ist ungerecht. Das mag niemanden überraschen. Auch die vier Jungs aus Osterholz-Scharmbeck nicht, die schon 202 Konzerte gegeben haben, und noch immer kennt sie kaum jemand. So weiß das Publikum in der Berliner O2-World nicht, dass bei Konzerten der Band Kleinstadthelden eigentlich gestanden wird, statt gepflegt in Schalensitzen abzuwarten, was passiert. Das mag an der Großstadt liegen, die andere Helden hat. Oder daran, dass die geschätzten 8000 Menschen einer Frau wegen gekommen sind, die noch kein einziges Konzert gegeben hat, die aber trotzdem jeder kennt.

Am Mittwoch hat Lena in Berlin mehr als nur ihre Deutschlandtournee begonnen. Sie hat ein Publikum gesucht. Das ist nicht ganz einfach für jemanden, dessen Existenz sich bisher weitgehend auf das Fernsehen beschränkte. Die größten Hallen in den größten Städten wurden für sie reserviert, aber normal ist, eine Popkarriere wie die Kleinstadthelden anzugehen. Auf dem TV-Bildschirm wirkt Lena oft wie ein Wesen, das aus Versehen dorthin gelangt ist. Und da im Fernsehen nichts unbeabsichtigt geschieht, sind ihre Auftritte oft von absurder Komik. Was soll ich hier? Ach, ich bin’s ja, die Lena! Als sie vor einem Jahr den Eurovision Song Contest in Oslo gewann, trat sie vor ein Publikum, das überwiegend zu Hause geblieben war, und ihre Botschaft war: Ich bin nur ein Satellit, der die Erde umkreist.

Das kann sie jetzt nicht mehr sagen. Stattdessen singt sie, „all my dreams are you“. Und sie scheint das auch genau so zu meinen, wenn sie den Satz aus dem Eröffnungsstück „Not Following“ mit einer Geste Richtung Halle unterstreicht. Vieles ist noch fahrig zu Beginn. Die Art, sich verlegen durch die langen Haare zu streichen. Auch kommen ihre sparsamen Ansagen aus völliger Dunkelheit, weil sich zu den Lichttechnikern noch nicht herumgesprochen hat, wer die Hauptperson ist. Als sie die Menschenmenge vor sich in zwei Chöre unterteilen will, misslingt das grandios. Niemand versteht, was sie will. Mitmachen irgendwie, klar. Das Timing stimmt noch nicht, aber das ist es ja. Einmalig an diesem Abend ist, dass jedes Wort und jeder unbeholfene Versuch, eine Brücke zwischen den Songs zu bauen oder das Publikum zu mehr Engagement zu bewegen, dass all das, was zum Repertoire einer Entertainerin gehört, noch nicht zum Ritual geworden ist. Denn Lena versucht sich in all diesen Dingen zum ersten Mal. Dafür macht sie es gut. Weil auf ihre Weise.

Und sie hat auch als Sängerin gewonnen. Die Kraft ihrer Stimme verharrt noch in Lauerstellung, und zuweilen weiß man nicht, was sie mit einem seidig pumpenden Song wie „At All“ vorhat, aber wie überwältigend es auch für sie sein muss, das eigene Organ in den riesigen Hallraum der Arena schwappen zu hören, das scheint zuweilen auf. Wobei die Band viel geschlossener agiert als die Heavytones aus dem TV-Total-Studio. Bei den groovigen Funkstücken aus der Feder Stefan Raabs kriegt sie den triefenden Sound der siebziger Jahre hin.

Allerdings gibt es zwei mögliche Haltungen einer Band ihrer Sängerin gegenüber: Verehrung oder Gehorsam. Das hängt wohl sehr vom Temperament der Sängerin ab. Bei Lena macht die Band, was sie will. Beendet Songs nach Plan und würgt so auch die Spontanität der Frontfrau ab. Vielleicht wird dies der schwerste Kampf, den Lena als Musikerin zu bestehen hat.

„Hach, war das schön und jetzt richtig richtig, richtig Party“, beginnt Lena im zweiten Teil des Konzerts zunehmend gelöster draufloszuquasseln. Da wird für die Premiere eines neuen Songs ein Sofa für drei Ehrengäste aus der Menge auf die Bühne geschoben. Konfettikanonen spritzen silberne Wolken in die Halle. Und Hits wie „Mr. Curiosity“, „Maybe“, „Push Forward“ und natürlich „Taken By A Stranger“, mit dem sie den Titel beim Eurovision Song Contest in Düsseldorf verteidigen will, machen es ihr leicht. Und dann kommt sogar Kirchentagsatmosphäre auf, als sie ihre Band vorstellt mit den Worten: „Wir danken ...“ Das ist Pop für die ganze Familie. Wobei selbst Dreijährige nach dem Schlussapplaus benommen aus der Halle geführt wurden. Wegen Mangels an Babysittern offenbar. Waren die auch alle bei Lena?

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