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Nasic

© promo

Musik: Das Beste zweier Welten

Postergirl der Skater-Szene: Sängerin Sandra Nasic geht eigene Wege, nach dem Ende der Guano Apes. Nun setzt sie ein "Signal".

„Das gefällt mir“, sagt Sandra Nasic und deutet auf den bröckelnden Verputz, die kaputten Fensterläden und die schmutzig-graue Farbe einer Hausfassade in Prenzlauer Berg. „Das ist das einzige Haus in dieser Gegend, das so heruntergekommen aussieht.“ Im Erdgeschoss betreibt ihr Freund ein kleines Café. „Deshalb bin ich praktisch jeden Tag hier“, sagt Nasic und rührt mit dem Löffel in ihrem Milchkaffee.

In ihrem weiten, schwarzen Pullover, Jeans und einer schmalen, länglichen Brille weckt die geborene Niedersächsin wenig Assoziationen an ihr früheres Leben. Sie war Sängerin einer der führenden deutschen Rockbands des letzten Jahrzehnts. Mit den 2005 aufgelösten Guano Apes gelang ihr in der zweiten Hälfte der Neunziger nicht weniger, als eine Mischung aus harter Gitarrenmusik, teilweise gerappten Texten und melodiösen Refrains im Pop-Mainstream zu etablieren. Songs wie „Open Your Eyes“ und „Lords Of The Boards“ wurden zu Hymnen für die Skater- und Snowboarderbewegung, liefen aber gleichzeitig ständig auf MTV und bescherten den Guano Apes große Auftritte im In- und Ausland.

Zuletzt wurde es allerdings ruhig um die 31-jährige Nasic. „Ich musste mir eine Auszeit nehmen. Wenn man mit 17 anfängt, sehr früh erfolgreich ist und in diese Maschinerie gerät, will man irgendwann raus.“ Zusätzlich wurde die Stimmung in der Band nach drei Alben zusehends schlechter. „Die Guano Apes waren schon ein wilder Haufen, aber eben auch lauter starke Egos, die irgendwann nicht mehr zusammengepasst haben“, erklärt Nasic. Sie verließ die Band schließlich. „Wenn es menschlich nicht mehr stimmt, nützt es nichts.“ Aber was tun mit der neu gewonnenen Ruhe und Freizeit? „Man lebt zwölf Jahre in dieser Bandroutine aus Tourneen, Alben und Promo-Terminen und denkt natürlich schon darüber nach, was passiert, wenn man alles hinschmeißt. Aber ich wäre so nicht glücklich geworden und habe mich eben ins Neue gestürzt.“ Sandra Nasic – bei den Guano Apes immer besonders bekannt und gefeiert für ihre energetische, schweißtreibende Live-Performance – ließ das Rockstardasein hinter sich und zog nach Berlin, wo sie viel Zeit in ihrem Haus auf einem Seegrundstück verbrachte. „Ich habe kein Problem damit, auch mal nichts zu tun. Das war eine sehr schöne Zeit, in der ich vieles nachgeholt habe, was mir vorher gefehlt hat.“ Angeln gehen etwa, am Abend mit Freunden grillen oder an Haus und Boot herumbasteln. Die Musik spielte immer eine Rolle, wenn auch keine tragende. Ohne Bindungen, ohne Plattenfirma und ohne Verträge lässt sich die Angelegenheit bedeutend ungezwungener angehen. „Ich habe auch in dieser Zeit immer Songs geschrieben, aber nicht daran gedacht, was daraus werden soll.“

Von Nachteil ist es nicht, dass man in der Branche einen Namen hat und wie Sandra Nasic nicht wieder bei null anfangen muss. Für ihr Solodebüt „The Signal“ konnte Sandra Nasic gleich mit namhaften Produzenten wie Steve Lironi (Bon Jovi, Happy Mondays) und Pelle Gunnerfeldt (The Hives, The International Noise Conspiracy) zusammenarbeiten, die der Platte einen ziemlich massentauglichen Schliff verpasst haben. Nasics charakteristisch-tiefe, raue Stimme ist betont weit im Vordergrund und bildet das tragende, melodiöse Element inmitten dringlicher Gitarrenriffs und geradliniger Schlagzeugbeats. Neben den klassisch-eingängigen Rocksongs, die den Guano-Apes-Fan von damals sicher nicht verschrecken werden, finden sich auch rührige Balladen und kleine Ausflüge in elektronischere Gefilde.

„Ich habe sehr viel ausprobiert bei diesem Album und wollte meine neu gewonnene, musikalische Freiheit nutzen. Vielleicht verstehen nicht alle, dass ich nicht mehr 15 bin und in Baggey-Hosen herumlaufe, aber um die geht’s mir auch nicht“, zeigt sich Sandra Nasic selbstbewusst. Das Scheitern der Guano Apes hat offenbar keine Spuren an ihrem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hinterlassen. Ganz im Gegenteil: „Ich bin sehr zufrieden damit, wie die Platte geworden ist. Was damit weiter passiert, ist mir ziemlich egal. Erfolg hatte ich ja schon. Jetzt kommt die Selbstverwirklichung.“

Eine Selbstverwirklichung, die – so ist zu erwarten – mit dem Erfolg einhergehen wird. Energiegeladene Songs wie „Name Of My Baby“ oder „Mecasanova“ sind geradezu prädestiniert, in den Charts die lautere, ungestümere Spielart der Pop-Musik zu repräsentieren, ohne dabei zu viele Zugeständnisse von der Zielgruppe zu verlangen.

„Ich mache einfach das, was ich am besten kann“, sagt Nasic mit Überzeugung. „Musik ist immer wieder faszinierend. Vielleicht auch, weil ich nie Harmonielehre hatte und mit Kinderohren rangehe.“ Das schließt Perfektionismus nicht aus, wie die leidenschaftliche Studio-Knöpfchendreherin zugibt. Es kann schon dauern, bis sie den richtigen Sound gefunden hat. Zweiflerin ist Nasic trotzdem keine, und unsicher schon gar nicht. „Ich höre eigentlich die ganze Zeit meine eigene Platte, vor allem ‚Mecasanova‘. Ein toller Song.“ Ein Song – wie das ganze Album – für den alternativen Mainstream. Musik, die sich das Beste aus beiden Welten zusammensucht und gleichermaßen auf den hohen Coolness- und Glaubwürdigkeitsfaktor rauer Rock- und Elektromusik wie auch auf die großen Bühnen und auf die glitzernde Popwelt schielt. Und nicht so sehr auf den bröckelnden Verputz.

„The Signal“ von Sandra Nasic ist bei SonyBMG erschienen.

Michael Luger

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