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Neues Album: Mos Def: Der Flow im Ohr

"The Ecstatic" des New Yorker Schauspielers und Rappers Mos Def ist das Hip-Hop-Album des Jahres.

Der Hip-Hop US-amerikanischer Prägung gehört nicht gerade zu den Genres der Popmusik, die laufend neue Gesichter hervorbringen, geschweige denn, so es sie gibt, dass diese Exportschlager sind. Global gesehen funktioniert der US-Hip–Hop nach einem Superstar-System á la Hollywood, weshalb das Genre schon lange von immer denselben Musikern und Produzenten dominiert wird: von Jay-Z, Jay-Z und Jay-Z, von Timbaland und den Neptunes, von Nas, Puff Daddy, Snoop Doggy Dogg, Kanye West und Dr. Dre. Und dann gibt es noch die Hip–Hop-Gemeinde aus Philadelphia, die Roots, Common, Erykah Badu.

Umso schöner ist es, wenn dann auf einmal ein Rapper mit einem wirklich umwerfenden, stilistisch vielfältigen, trotzdem ungemein organischen, Hit an Hit reihenden Album namens „The Ecstatic“ auf den Plan tritt. Der ist zwar auch kein Unbekannter, aber gilt weder als Platzhirsch noch widmet er sein Leben ausschließlich dem Hip-Hop: Mos Def, bürgerlich Dante Terrell Smith, geboren 1973 in Brooklyn, im Hauptberuf eher Schauspieler als Musiker, hat er doch schon in weit über dreißig Filmen gespielt. In seinen frühen Tagen Ende der neunziger Jahre gehörte Mos Def zu der Sorte Rapper, die etwas hilflos unter dem Begriff Independent-Hip-Hop zusammengefasst wurden. Musiker wie er, Talib Kweli, El-P oder Pete Rock wollten dem damals sozusagen durch und durch puffdaddyisierten Genre seine Glaubwürdigkeit (soziales Engagement statt Goldketten und Gangsterspiele) und seine Inhalte (kluge, sozial engagierte Lyrics statt sexistische Angeberreime) zurückgeben und nicht allein auf Form und Stil setzen.

Doch wie das so ist: Wenn die Musik zu kurz kommt, wenn dann nicht doch ein Beat mal so richtig knallt, nützt aller Intellekt, alle Gemeinnützigkeit nichts, das ist im Hip–Hop nicht anders als im Kino. Selbst die eingefleischtesten Fans des europäischen, iranischen oder afghanischen Autorenfilms lassen sich ja gern von inhaltsleeren, aber gut gemachten Hollywood-Produktionen bezaubern (selbst wenn sie hinterher ein schlechtes Gewissen haben).

Doch zurück zu Mos Def: Wegweisend war nur sein Debüt, das er 1998 mit Talib Kweli veröffentlichte. Die beiden folgenden Alben bewiesen nur, dass Mos Def sich stilistisch nie eingrenzen wollte. Dem Soul öffnete er sich, Blues- und Rockelemente speiste er in seine Stücke – nur machten das andere wie Outkast oder die Neptunes viel besser.

„The Ecstatic“ jedoch ist ein richtiges Meisterwerk geworden. Mit Latino-Flair, Ragga-Tunes, Samba-Funk, Fela-Kuti-Geklöppel und auch ein paar stringenten Beats aus der Pariser Ed-Banger-Schule klingt es an manchen Stellen nach allem, nur nicht nach Hip–Hop – wären da nicht die rau-prägnanten und auch ganz ordentlich fließenden Reime von Mos Def. Dass er seine Wurzeln kennt, dass er sich auch auf diesem Album als Lehrer und organischer Intellektueller mit politisch korrekten Ansinnen sieht, versteht sich von selbst. „The Ecstatic“ beginnt mit einem Malcolm-X-Zitat: „You ’ re living at time of extremism, a time of revolution, a time where there ’ s got to be change“. Den „change“ hat es bekanntlich gegeben. Doch ist trotz Obama, wissen alle, weiß Mos Def, lange nicht alles gut. Und so predigt er in seinen Tracks die notorische „Realness“, fordert er Bildung, den Zusammenhalt der Familien, prangert er Drogenmissbrauch, Arbeitslosigkeit oder den Krieg auf den Straßen an, so wie in dem großartigen, auf Spanisch gesungenen „No Hay Nada Mas“, wo Mos Def im Wechsel „No Hay Nada Mas (Es gibt nichts mehr) und ein dem widersprechendes „Claro“ skandiert.

Das ist natürlich alles gut und richtig. Noch schöner aber ist, wenn Mos Def „lalalala“ macht, wie in „The Embassy“. Wenn er juchzt und tiriliert, wenn er in dem herrlichen, reggaelastigen „Workers Camp“ „I give you all my milk and honey, but you can ’t break my heart“ schmachtet. Und wenn er, wie in dem superben „The Auditorium“, die Strings jubilieren lässt. Dann ist er wirklich auf der Höhe seiner Kunst. Da muss sich nun ein Jay-Z sehr anstrengen, wenn er im September sein neues Album veröffentlicht – und „The Ecstatic“ den Rang des Hip–Hop-Albums des Jahres streitig machen will.

„The Ecstatic“ von Mos Def ist bei Downtown/Universal erschienen

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