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Freibe

© Mike Wolff

Pop: Feiern kommt mit dem Fall

Jens Friebe macht aus der Party hohe Kunst - mit neuem Album und dem Buch der „52 Wochenenden“.

Ein Lieblingscafé hat er nicht. Tagsüber gehe er nicht in Cafés, sagt er auf eine Art, dass man schon bereut, überhaupt auf diese Idee gekommen zu sein. Also: morgendliches Treffen im Park Inn, besser bekannt als „Forum-Hotel“, am Alexanderplatz. In der Lounge. Lila ist es überall. Die Tassen sind lila, die Sofas auch. Dort trifft sich Jens Friebe immer für Interviews. Das Lila der Sofas wirkt dabei so wavig wie das, was er macht.

Jens Friebe ist Musiker. Sein neues Album heißt „Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert“, das deutet schon an, dass in Friebes Kopf mehr als nur ein paar Akkorde stecken. Nämlich ein halber Literat.

Die Rezensenten seiner ersten beiden Alben taten sich denn auch schwer: Wo kann man Friebe einsortieren? Electropop, Singer/Songwriter-Musik oder Neue Deutsche Welle? Friebe sieht seinen Ursprung im Fun-Punk und fühlt sich mit den Goldenen Zitronen und den Ärzten verbunden. „Mit zwölf hatte ich meine erste Band, und wir coverten Ärzte-Songs. Das ist meine Ausgangsbasis“, sagt er mit ruhiger Stimme, die so gar nichts von der jungenhaften Fröhlichkeit seiner Alben hat. Dass Friebes Musik schwer zu kategorisieren ist, ist ihr Vorteil und der Reiz. Mit „Vorher Nachher Bilder“ (2004) und „In Hypnose“ (2005) hat er die Musikkritik begeistert, obwohl sie nicht wusste, was von ihm zu halten war.

Vielleicht fällt das bei seinem neuen Album leichter. Die neuen Songs kommen ruhiger daher, verlassen das knallige Wave-Terrain öfters, um sich so dem klassischen Sound des Pop anzunähern und ihn mit einem Punk-Touch zu versehen. Das Schlagzeug ist neben der Stimme der wichtigste Tongeber. „Daran ist die personelle Konstellation schuld“, sagt Friebe. „Der Live-Sound hat mir durch meine Band meist besser gefallen als die CD. Das lag an der Band und besonders an meinem Schlagzeuger. Hätte sich die Zusammenarbeit mit einem Elektromusiker ergeben, wäre vielleicht ein elektronischeres Album herausgekommen.“ Friebe sagt es nachdenklich. Auf seinen letzten beiden Alben hat er viel mit der deutschen Sprache angestellt. Es sind die Texte, die meist mehr überraschen als der Sound. „Für das neue Album habe ich mich von der Wortakrobatik verabschiedet. Ich wollte nicht, dass genau dies mein Prinzip und meine Technik wird.“

Anstatt kühner Wortspielereien wie „Ihr müsst mich feiern wie ich fall“ vom Vorläuferalbum remixt er jetzt stehende Redewendungen mit neuen Inhalten. So verbrät er den alten Autonomen-Slogan: „Wir haben euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass“ zu „Sie haben dir was mitgebracht: Hass, Hass, Hass.“ In dem Song geht es auch um Konzerterfahrungen, da ihn zuweilen auch ein nicht so freundliches Publikum erwarte und anglotze. „Aber das ist übertragbar auf die mündliche Prüfung oder DSDS-Casting“, sagt Friebe, bei dem man immer das Gefühl hat, er will gar nicht allzu viel über sich sprechen.

Woher kommt das Unaufgeregte der neuen Platte? Sein Blick schweift durch die Lounge und fällt auf das nahe gelegene Haus des Lehrers, wo jedes Wochenende im Weekend exzessiv dem Morgen entgegengetanzt wird. Die ersten beiden Alben waren Feiermusik. Sound für die Nacht. Gerade für die Berliner Nacht. Er hat mit seiner Doppeldeutigkeit auch am Exzess gekratzt, sich ins Nachtgetriebe gehängt.

Die dunklen Stunden sind ein wichtiges Thema für Friebe. In seinem kürzlich erschienenen „52 Wochenenden. Texte zum Durchmachen“ hat der Blogger seine Interneteinträge, die Erfahrungen vieler Nächte, in Buchform veröffentlicht. „Für den Blog brauchte ich eine Motivation und einen Rhythmus. Die strenge Gliederung, bei der ich jedes Wochenende beschrieb, was ich tat, gaben mir einerseits Halt und Struktur, andererseits war es auch eine sehr offene Form, wo man immer den konkreten Anlass übergehen konnte und irgendetwas schreiben konnte, was einem einfiel.“ Es dauerte nicht lange, bis der Verlag Kiepenheuer & Witsch auf die Durchmach-Texte aufmerksam wurde. Was auch daran liegen mag, dass Jens Friebe durch seinen älteren Bruder, den Autor Holm Friebe („Wir nennen es Arbeit“), ins schriftstellerische Netzwerk der Zentralen Intelligenz Agentur (ZIA) wenn auch locker eingestrickt ist. Seit Jahren verfasst Friebe zudem Rezensionen für Musikzeitschriften.

Das Schreiben ist für Friebe eine Abwechslung. Er habe zwar kein neues Projekt in Aussicht, aber auch in Zukunft interessiere ihn die Arbeit am Wort fernab von Proberäumen und Clubs. „Aber ich brauche dazu eine konkrete Idee. Noch mal so etwas wie ,52 Wochenenden’ würde ich nicht machen, denn die Rücksicht auf reale Personen und deren berechtigte Empfindlichkeiten schränken auf Dauer ein. Andererseits bin ich nicht Schriftsteller genug, um einen Roman zu schreiben.“ Er könne sich vorstellen, wieder mehr musiktheoretisch zu denken, sich mit seiner und anderer Musik auseinanderzusetzen. Friebe, der Anglistik, Musikwissenschaft und Philosophie studierte, kommt auch aus der Musiktheorie. Aber in erster Linie ist er Musiker. Und nicht Musikjournalist. Auch wenn er um die Schwierigkeit dieser Kombination weiß. „Heute schreibe ich aber nicht mehr über deutsche Künstler: Kritik wird als Neid ausgelegt und Lobhudelei schnell als Kumpelei“, meint Friebe, als er sich sein zweites Spezi bestellt. Die letzte Nacht war doch wieder lang. Seine Augen sehen müde aus. Ja, die Popkomm.

Friebe wird demnächst auf Tour gehen. Ist er manchmal gelangweilt von seiner eigenen Musik? Antwort: „Ja.“

Pause.

„Besonders nach der ersten Tournee“, fährt er fort. Meist folge auf eine Konzertreihe unmittelbar nach Plattenveröffentlichung später noch eine, „wenn bis dahin keine neuen Lieder da sind und man gedanklich schon abgeschlossen hat mit dem Material, kann einen das anöden.“ Dann wird aber einfach die Setlist umgestellt, und das beste Gegengift: „Schon auf der Tour neue Songs zu haben, lässt einen die alten auch wieder leiden.“

Jens Friebe erzählt es mit tiefer Stimme. Ganz langsam und wohlüberlegt setzt er Wort an Wort. Das Tempo seines Sprechens kann einen verunsichern. Manchmal blitzt in Friebes Augen etwas Jungenhaftes auf, und dann kann man sich gut vorstellen, wie er als Junge in einer FunPunk-Band gespielt hat und immer nur einen Wunsch hatte: Musik zu machen. „Etwas anderes kann ich nicht“ Wie er als Junge war? „Nicht anders als heute. Nur dümmer und niedlicher“, sagt der 1975 in Lüdenscheid geborene Friebe.

Dann ist der Durst gestillt, die Sonne strahlt ihm in die müden Augen, und er verschwindet in Richtung Friedrichshain. Er läuft. Tramfahren mag er nicht. Die fährt ihm zu langsam.

Jens Friebe, „Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert“, erscheint am Freitag. Er spielt am 13.Oktober im Festsaal Kreuzberg.

Ric Graf

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