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Prince

© dpa

Prince: Viel Spaß, Mr. Goodnight

Peinlich, aber großer Pop: Prince kehrt mit "Planet Earth" zurück.

Jetzt ist auch Prince in den Club der selbsternannten Weltbeschützer eingetreten. Wenige Wochen nach dem umjubelten Auftritt beim „Live Earth“-Konzertspektakel stellt der 49-Jährige sein neues Album „Planet Earth“ vor, in dessen Titelsong er tiefschürfende Fragen wie „50 years from now on what will they say about us here? / Did we care for the water and the fragile atmosphere?“ aufwirft. Immerhin kommt die Bono-artige Betroffenheitslyrik mit Prince’ engelhaftem Gesang, jubilierenden Gospelchören und monumentalem Gitarrensolo so offensiv bombastisch daher, dass man auch über die Heilsversprechen („Then we’ll see His kingdom come / So shall it be written, so shall it be sung“) des bekennenden Zeugen Jehovas hinweghören kann. „Planet Earth“ ist ein verdammtes Monster von einer Powerrock-Ballade, kitschig, peinlich, übertrieben – aber großer Pop. Und wie etliche Songs auf Prince’ je nach Zählweise 24. bis 30. Studioalbum endlich wieder so wagemutig und over the top wie seit langem nicht mehr.

Anfang der achtziger Jahre entwickelte sich Prince Rogers Nelson vom frühreifen Funk-Nachwuchstalent zum Universalgenie der Black Music, das ein Dutzend Instrumente beherrschte und im Alleingang das Erbe von Stevie Wonder, Sly Stone und Jimi Hendrix anzutreten schien. Zwischen 1983 und 1987 gelangen ihm von „1999“ bis „Sign ’O’ The Times“ nacheinander fünf Album-Meisterwerke – eine der beeindruckendsten individuellen Leistungen der Popgeschichte, die mit märchenhaftem Erfolg belohnt wurde.

Der zunächst schleichende Abstieg vom Pop-Olymp beschleunigte sich, als sich Prince in heillose Streitigkeiten mit seiner ehemaligen Plattenfirma verstrickte und unter verwirrenden Pseudonymen immer belanglosere Alben produzierte. Aus dem großen Verbalerotiker, dessen anzügliche Songs auf dem Index konservativer US-Radiostationen gelandet waren, wurde ein Verfechter christlicher Grundwerte, der in einem Akt der Selbstzensur Stücke wie „Head“ oder „Erotic City“ aus seinem Repertoire strich. Lange konnte man den Eindruck gewinnen, die Wandlung vom Saulus zum Paulus hätte Prince auch musikalisch zu einem Schaf im Wolfspelz gemacht. Erst im neuen Jahrtausend fing er sich, setzte auf seine Qualitäten als überragender Konzertmusiker und brachte mit „Musicology“ und „3121“ wieder passable Platten heraus.

„Music Earth“ verstärkt die Hoffnung, dass Prince auch in reiferem Lebensalter noch zu Großem fähig sein könnte. Lässt man die konzeptionelle Verquastheit außer Acht, bietet die Platte oft mehr als die grundsolide Dancefloor-Konfektionsware, das man zuletzt gewohnt war. Leider gehören die Uptempo-Stücke, das geradlinige „The One U Wanna C“ und das turbulente, mit Bläsern aufgemotzte „Chelsea Rodgers“, zu den Schwachpunkten der Platte. Die muskulösen Slap-Bass-Brecher kennzeichnet eine Grobschlächtigkeit, die Welten von elegant-minimalistischen Kunstwerken wie „Kiss“ oder „Sign ’O’ The Times“ entfernt liegt. In „Guitar“, der Liebeserklärung an sein bevorzugtes Soloinstrument, bietet Prince eine beseelte Saitenperformance. Aber auch bei diesem braven Tanzflächenstampfer fragt man sich, was ein Produzent wie Timbaland aus solch brillantem Rohmaterial gemacht hätte.

Von ganz anderem Kaliber sind die Balladen „Somewhere Here On Earth“ und „Future Baby Mama“, deren psychedelisch irrlichternde Melodien den von Backgroundchorälen umschmeichelten Falsettgesang des Meisters zum Strahlen bringen. Die luftigen, detailverliebten Arrangements profitieren ungemein von der kaum mehr erhofften Rückkehr alter Weggefährten: Wendy Melvoin und Lisa Coleman, die bis 1986 das Rückgrat von Prince’ Begleitband The Revolution bildeten, sorgen mit der Schlagzeugerin Sheila E. für ein wirkungsvolleres Gegengewicht zu den Soloexkursen des Meisters als die eher einem sportiven Wettbewerbsgeist verpflichteten Funk-Matadore seiner Stammformation New Power Generation.

Prince wirkt in vertrauter Umgebung wie von allem Druck befreit. Er entspannt sich beim selbstironischen Zeitlupenrap auf „Mr. Goodnight“ und schwingt sich mit dem federleicht gitarrengroovenden „Resolution“ zu einer instrumentalen Unbekümmertheit auf, die man dem Energiebündel nicht zugetraut hätte.

Vor einem Vierteljahrhundert hat Prince der Popmusik entscheidende Impulse gegeben. Heute haben andere diesen Job übernommen. Aber ob Weltstars wie Justin Timberlake oder Underground-Helden wie James Murphy und sein LCD Soundsystem: Ohne das kleine Kreativkraftwerk aus Minneapolis wären sie wohl nicht geworden, was sie sind. Und auch wenn „Planet Earth“ seinem Gesamtwerk vorerst nur eine Fußnote hinzufügt: Prince ist wieder da. Man sollte ihn nicht unterschätzen.

Jörg W, er

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