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© promo

Silly: Das Gegenteil von tot

Nach 14 Jahren bringen die Ost-Rocker Silly ein neues Album raus – mit Sängerin Anna Loos. Vorher spielt die Band in einem Krimi mit.

Silly, das ist nicht irgendeine DDR-Rockcombo. Silly ist Herkunftssache, Herzenssache. Das bemüht sich der Dreiviertelstundenkrimi aus der Reihe „Soko Leipzig“, der am heutigen Freitag im ZDF ausgestrahlt wird, gleich zu Beginn klarzustellen. Da stehen die Kriminaloberkommissarin und ihr Kollege in der Warteschlange vor einem Leipziger Club. Ganz privat, sie hatte eine Karte für das Konzert übrig, er ist mitgekommen – aber Ahnung hat er keine. „Tamara Danz?“ fragt er. Nie gehört. Sie fasst es nicht: „Das weiß man doch!“

Für alle, die es nicht wissen: Tamara Danz war eine löwenmähnige Ikone, in Friedrichshain heißt eine Straße nach ihr. Danz war Silly-Sängerin von der Bandgründung 1978 bis zu ihrem Krebstod 1996, berühmt und geliebt für ihre wandlungsfähige, rauchige, rockige Stimme. Sieben Alben hat sie mit Silly aufgenommen, darunter „Mont Klamott“ und „Bataillon d’Amour“. Das letzte, „Paradies“, kam vor 14 Jahren heraus, kurz nach den Aufnahmen starb Tamara Danz. Ein Schock. Danach war lange nichts.

Bis jetzt. Jetzt gibt es diesen Krimi, in dem die Band sich selbst spielt – und auch gleich ihre neue Sängerin Anna Loos einem breiten TV-Publikum vorstellt. Die „Soko“-Folge ist eine Mischung aus Konzertfilm und Kammerspiel im Backstageraum, in dem neben Silly ein toter Tourmanager, eine psychotische Stalkerin und natürlich das zufällig anwesende Ermittlerteam entscheidende Rollen spielen. Die Story ist solide, wenn auch nicht die spannendste – und der Gastauftritt aus Marketingsicht ein Clou. Sechs Wochen vor der Veröffentlichung des neuen Albums am 19. März wird schon kräftig Aufmerksamkeit erzeugt.

Warum auch nicht. Die Fans von Silly haben schließlich fast zehn Jahre warten müssen, bis sie zumindest die Kerntruppe aus Gitarrist Uwe Hassbecker, Keyboarder Ritchie Barton und Bassist Jäcki Reznicek wieder auf der Bühne sehen konnten. Einige Jahre nach Tamara Danz’ Tod hatten Barton und Hassbecker, die beide nacheinander mit der Sängerin liiert waren – Hassbecker heiratete sie noch auf dem Sterbebett – das Gefühl, sie müssten wieder zusammen spielen: „Wir haben uns daran erinnert, dass sich Tamara immer wünschte, dass wir weitermachen.“ 2005 traten sie als „Silly und Gäste“ mit verschiedenen Gastsängern auf. Dann lernten sie Anna Loos kennen. „Als wir Anna trafen, wussten wir: Sie ist es“, erinnern sich die Musiker.

Anna Loos, 39 Jahre alt, gebürtige Brandenburgerin und bisher eher als Schauspielerin bekannt, beschreibt ihren Bandbeitritt als schicksalhafte Fügung. „Ich war früher echter Silly-Fan“, sagt sie in einem Interview. „Als ich Silly zum ersten Mal hörte, war ich zwölf Jahre alt. Und mein erstes Konzert erlebte ich mit 14. Ich habe meine Lieblingslieder damals bis zu fünf Mal hintereinander auf eine Kassette aufgenommen, damit ich nicht immer zurückspulen musste.“ Herkunftssache eben. Und Herzenssache: „In der Musik von Silly habe ich jetzt meine musikalische Heimat gefunden,“ sagt Anna Loos. Nicht, dass sie Tamara Danz ersetzen könnte, wenn sie die alten Lieder singt. Sie wolle das auch gar nicht. Aber es reize sie, die Herausforderung anzunehmen.

Loos schlägt sich nicht schlecht. Das neue Album „Alles Rot“ sei ein „doppeltes Debüt“, sagt Gitarrist Uwe Hassbecker in einer Spielpause bei der Livevorstellung der neuen CD im Postbahnhof. Zum einen sei es die erste Platte nach 14 Jahren; zum anderen die erste mit Anna. Die Leinwand, auf der eben noch der Silly-Krimi gezeigt wurde, ist nach oben gezogen, die Scheinwerfer blinken – und die Band, die eben noch im Krimi von feuerzeugschwenkenden Fans gefeiert wurde, steht leibhaftig da. Viele Fans übrigens auch, Konzerttouristen, Wegbegleiter. Auch sie haben sich in dem Film selbst gespielt.

Die Menge im Postbahnhof bejubelt nicht nur die langhaarigen, in Würde gereiften Rockveteranen, Alter 50 plus. Sondern auch die strahlende Anna Loos, mit Dompteurjacke und wehendem Blondhaar und viel Hall auf der Stimme.

Anna Loos ist keine Tamara Danz. Weniger Nuancen, weniger Melancholie. Aber warum sollte man vergleichen, die Band funktioniert. Hier stehen Stars, im besten Sinn. Die Musiker grinsen, die Sängerin wirbelt. Die neuen Songs kommen an: Gitarrenwände, Keyboardflächen, griffige Refrains, mal melodisch krachend, mal pianozart. Stadionmusik. Als Texter für das neue Album wurde Werner Karma zurück ins Boot geholt, der bereits in den Achtzigern Songs für Silly schrieb. Es sind viele Liebeslieder geworden, stellenweise hart am Schlager, aber nie kitschig. Der letzte der 13 Songs, „Sonnenblumen“, ist Tamara Danz gewidmet. Das Titelstück, ein kraftvoller Rock-Ohrwurm, ist ein Lied über das Verlassenwerden, es ist aber auch ein Überlebensszeichen: „In mir ist alles rot / das Gegenteil von tot / mein Herz, es schlägt sich noch ganz gut.“ Die Show muss schließlich weitergehen.

„Soko Leipzig“ läuft am heutigen Freitag, 5. Februar, um 21 Uhr 15 im ZDF. Das Album „Alles Rot“erscheint am 19. März bei Universal. Am 15. Mai spielen Silly im Huxley’s.

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