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Robocop

© Anti

The Robocop Kraus: Die Pop-Kappen schmelzen

The Robocop Kraus veröffentlichen bereits ihr fünftes Album – und warten weiter auf den Durchbruch. Das neue, "Plunders and Mistakes" ist mehr Pop als Rock.

Als das Handy in seiner Hosentasche klingelt, muss er sich zur Wand drehen, um ein Wort zu verstehen. Der Partylärm um ihn herum zerfetzt die Worte. "Ich will nicht drüber reden“, hört man ihn sagen, "nicht am Telefon, wäre nicht richtig mit all den Leuten hier im Raum.“ Der Mann hat keinen Namen. Er halte ein Seil fest, sagt er, in das er Knoten binde, das andere Ende hält eine Frau. Als Verzweifelter geistert er durch den Song, ein Arbeiterkind, das sich nicht abfinden will. "This is just an ordinary life“, lautet sein nüchternes Credo, das er hinausschreit wie etwas, auf das er lieber verzichten würde.

Aus den Boxen plärrt derweil eine süßliche E-Gitarre, das Schlagzeug schleift und stolpert, und der sämige Synthesizer- Sound taucht die imaginäre Festgesellschaft wie in kühles hartes Licht. Die Nürnberger Band The Robocop Kraus mag das gewöhnliche Leben besingen und die Unmöglichkeit, ihm zu entrinnen, aber gewöhnlich klingt sie nie. Sie machen genau die Musik, vor der erfahrene Scouts auf der Suche nach dem gemeinhin Kompatiblen sofort abwinken. Zu schräg, zu exzentrisch, zu steif und dabei auch noch so euphorisch. Aber wann geschieht es schon mal, dass eine deutsche Band sogar über ein Flüchtlingsdrama singen kann, ohne peinlich zu klingen? Es ist bittere Hoffnungslosigkeit, die Songs wie „Gibraltar“ zur Hymne macht („Strait of Gibraltar/ All hopes grounded“).

The Robocop Kraus polarisieren

„Blunders and Mistakes“ heißt das neue Studioalbum des Quintetts um den blonden Sänger Thomas Lang, das 1998 aus zwei „verfeindeten“ Schülerbands hervorging und auch im neunten Jahr seines Bestehens noch etwas vom Chaos des Anfangs transportiert. Da geht es um Kräfte, die über dem Meer darauf warten, „uns zu zerstören“, um die schöne Gelassenheit des Alters („I had learnt for that feeling since I was young“), um Träume und Züge, die der eigene Atem von Brücken bläst. Oder darum, wie es ist, als Kind der Zeugen Jehovas aufzuwachsen. Drohungen, Paranoia, Liebesschwüre, die nicht halten. Die Welt von The Robocop Kraus ist voller Dramatik. Eine Musik der bloßgelegten Nervenstränge, ein Fieberwahn, der in der Bitte ausklingt,heil wieder herauszukommen, wohin das Schicksal einen gesetzt hat. „Chances are low, gimme your love“, lautet das Mantra, das die fünf Musiker in ein tönernes Klanggewand hüllen.

The Robocop Kraus polarisieren. Das hat mit der blasierten – oder aber überzeugten – Kälte zu tun, die das Quintett umgibt. Obwohl die Franken mit "Blunders and Mistakes“ nun schon ihr fünftes Werk veröffentlichen (produziert von Tobias Levin in Hamburg), es also längst geschafft haben sollten, gelten sie noch immer als Außenseiter. Viele Altersgenossen wollen sich offenbar nicht erinnern lassen an die achtziger Jahre, in denen The Robocop Kraus musikalisch verwurzelt sind.

Die Band, die 1998 in Hersbruck zusammenfand, ist die beste Band, die die Achtziger nie hatten. Sie verkörpern ein Jahrzehnt des Übergangs, feiern Pop, bevor der beliebig wurde. Kindische Jubel- Chöre (Ahhahah!), die gespreizte Funkyness der späten Disco-Ära, reduzierte Rockgitarren und oszillierende Arrangements, die ins Wilde tendieren. Man kann das alles vermutlich besser machen. Aber gewiss nicht interessanter.

"Blunders and Mistakes“ hat nicht mehr die kristalline Schärfe

In Interviews erzählen The Robocop Kraus gerne, dass sie dem Punk entstammen, was sich vor allem in ihrem Geschäftsgebaren äußert. Nach einem obskuren Konzeptalbum („Inferno Nihilistique 2000“) und weiteren Platten, die über eine kleine Firma in Tschechien und aus dem eigenen Wohnzimmer heraus vertrieben wurden, machten sich Lang & Co. vom üblichen Karriereweg einer deutschen Band unabhängig. Sie singen Englisch. Von Beginn an hatten sie den internationalen Markt im Visier, der für die Indie-Band im MySpace-Zeitalter auch einfacher zu erreichen ist. Vor allem aber touren sie exzessiv nicht nur durch ganz Europa. Selbst in den USA waren sie bereits. Mit dem renommierten Epitaph-Label lenkt nun sogar ein amerikanisches Unternehmen die Geschicke der Band.

Die Singles ihres brillanten Vorgängeralbums "They Think They Are The Robocop Kraus“ (2005) liefen auf MTV rauf und runter. Ob das erneut gelingt, ist fraglich. "Blunders and Mistakes“ hat nicht mehr die kristalline Schärfe, die einen Song wie "In Fact You’re Fiction“ zu einem Pop-Ereignis machte. Diesmal sucht die Band nicht nach der Perfektion. Nach dem Abgang des Bassisten musste erst Nachfolger Peter Tiedeken eingearbeitet werden. Man entschloss sich, sämtliche Songs im Studio live einzuspielen. Was die Kosten drückt, aber nachträgliche Änderungen an Stimmung und Arrangement unmöglich macht.

Das Resultat ist mehr Rock als Pop. Der hysterische Gesang Thomas Langs wirkt nun noch stacheliger. Umso schöner blühen allerdings die Melodien, mit denen auch diese Platte reich gesegnet ist. Ein gewisser Größenwahn springt einem aus den 13 Songs entgegen, geronnen in winzige Piano-Figuren, und auch in der Art, wie der Refrain ins Endlose ausgreift. Aber das hat Größe. Man kommt nicht mehr los von diesem Frostgesang der Leidenschaft.

„Blunders and Mistakes“ von The Robocop Kraus ist bei Anti erschienen

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