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© dpa

"Unser Star für Oslo": Lenas schwieriger Weg

Lena Meyer-Landrut wird Deutschland beim Eurovision Song Contest vertreten. Mit der Wahl hat das Publikum ihr keinen Gefallen getan.

Jetzt werden nur noch Bourbonenlilien tätowiert. Von heute an tragen deutsche Jugendliche ihre zarte Haut nicht mehr ins Sonnenstudio, sondern lassen ihre vornehme Blässe mit Motiven europäischer Königsgeschlechter verschönern. So hat es Lena Meyer-Landrut vorgemacht, die Ende Mai als deutsche Vertreterin beim Eurovision Song Contest auftreten wird.

Seit gestern Abend hat der deutsche Popnachwuchs ein feines Schneewittchengesicht, ohne falsche Wimpern, ohne Spachtel-Make-up, ganz frisch und offen, wie es sich das Publikum des deutschen Vorentscheids gewünscht hat. Wir sind keck, charmant, mutig, zeitgemäß, geschmackvoll, intelligent, mitreißend. Ach.

Sechs Wochen dauerte die Suche nach unserem Star für Oslo, präsentiert als überraschend niveauvolle Castingshow mit talentierten Kandidaten, unsäglichen Moderatoren, super-hammer-grandios-lobhudelnden Jurymitgliedern. Trotz der langweiligen Dramaturgie eine willkommene Abwechslung zu Trash-Formaten wie Deutschland sucht den Superstar. Diese Sendung, die sich Stefan Raab für Pro Sieben und die ARD ausgedacht hatte, weckte große Hoffnungen. Auf einmal ging es im deutschen Fernsehen wieder um Musik, um Qualität, um intelligente Unterhaltung. Und dann kam das Finale.

Wer sich bisher an guter, mal mehr, mal weniger bekannter Popmusik erfreuen und von einer annehmbaren Platzierung beim Eurovision Song Contest träumen konnte, wurde nun auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Plötzlich waren mittelmäßige Songs zu hören, die von den beiden Finalistinnen mit mittelmäßiger Begeisterung interpretiert wurden. Das Publikum durfte jeder Kandidatin ein Lied anpassen, das sie, sollte sie das Duell gewinnen, in Oslo vortragen könnte. Zur Wahl standen okay, geht so und eher nicht. Warum nicht toll? Weil es plötzlich darum ging, sich auf das Niveau des großen Schlagerwettbewerbs herabzulassen – da hat ambitionierte Popmusik leider keinen Platz. Kurze Einspieler von den Mitstreitern aus Irland, Norwegen, Slowenien oder den Niederlanden verstärkten diese ernüchternde Erkenntnis.

So wurde deutlich, was für ein gewaltiges Paralleluniversum Stefan Raab und die ARD da aufgebaut hatten. Ihre Show hat eine sehr respektable junge Interpretin hervorgebracht, deren Vorlieben und Ansprüche weit entfernt sind von dem, was sie in Oslo erwartet. Lena Meyer-Landrut ist die neue Hoffnungsträgerin derer, die nicht wahrhaben wollen, dass Qualität und intelligente Unterhaltung nichts mit dem Eurovision Song Contest zu tun haben. Die nicht hinschauen mögen, wenn Püppchen und Knastbrüder sich zu deutschen Superstars erheben. Die wohlmöglich gar nicht ahnen, dass sich an der Wahl zu diesem eurovisionären Spitzenamt erschreckend wenige beteiligt haben – die Einschaltquoten der DSDS-Sendungen waren etwa dreimal so hoch.

Fast kann einem die Siegerin des deutschen Vorentscheids leid tun: Jetzt tritt sie heraus aus dem Paralleluniversum und muss, mit den größten Hoffnungen beladen, der Realität begegnen. Sie muss den Song Satellite vortragen, der ihr ganz offensichtlich nicht besonders gut gefällt, und sich damit zwischen ukrainischen Schneidbrennern und irischen Kitschtenören behaupten. Sie muss sich verbiegen, um ihr Heimatland zu vertreten. Denn so charmant, frech und intelligent wie Lena Meyer-Landrut sind Deutschland, sein Pop, seine Jugend noch lange nicht.

Quelle: ZEIT ONLINE 

Rabea Weihser

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