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Vinyl-Ausstellung in Berlin: Die Schau der schwarzen Scheiben

60 Jahre Vinyl-LP. Eine Ausstellung in Berlin holt ein Rebellenmedium heim ins Museale.

Adorno konnte dem neuen Kulturträger wenig abgewinnen. „Man möchte“, schrieb der Kritiker 1934 über die Schallplatte, „ihr keine andere Form zutrauen, als sie selber zur Schau trägt“. Schwärzeste Banalität in Scheiben also, die aus dem Repertoire künstlerischer Produktion tunlichst auszuschließen sei. Spätestens ab 1960 war dieses Diktum nicht zu halten, wie die Ausstellung High Fidelity in der Kunstbibliothek demonstriert. Anlässlich des 60. Geburtstags der Vinyl-LP werden hier rund 300 Schallplatten aus der Sammlung Marzona gezeigt, die die Eroberung des neuen Mediums durch Künstler der Sechziger und nachfolgender Jahrzehnte veranschaulichen.

War die LP zunächst vor allem als reproduzierendes Musikmedium konzipiert, so setzten bald auch Künstler anderer Gattungen Hoffnungen in sie: Das billige, unkompliziert zu vertreibende Medium schien wie prädestiniert, Kunstkonsumenten jenseits der Museen und Galerien zu erreichen. Konzept-, Aktions- und Fluxuskünstler wie Marcel Duchamp, Terry Fox oder Joseph Beuys, konkrete Poeten wie Ernst Jandl und Dieter Roth, aber auch zwischen Musik und anderen Genres interagierende Künstler wie John Cage bannten ihre Text- und Klangexperimente auf die schwarzen Tonträger.

Die Ausstellung dokumentiert diese interdisziplinären Experimente anschaulich, kann jedoch ein Grundparadox nicht umgehen: Mit ihrer Musealisierung ist die Schallplatte nun in eben jener Institution gelandet, die die Kunstrebellen von einst mit dem Medium LP zu umgehen suchten.

Matthäikirchplatz 6, bis 1. 2., Di.-Fr. 10-18 Uhr, Sa. u. So. 11-18 Uhr, 6 €).

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