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Morrissey

© Owsnitzki

Von Manchester nach Berlin: Morrissey: Unhappy Birthday

Am Abend seines 50. Geburtstags hat Großbritanniens Popikone Morrissey ein Konzert in seiner Heimatstadt gegeben. Diesen Freitag kommt er nach Berlin.

Theatralischer geht es kaum. Gerade ist Morrissey mit neuem Hemd auf die Bühne zurückgekehrt, das alte hatte er nassgeschwitzt ins Publikum geworfen, jetzt krümmt er sich auf dem Boden, es sieht aus, als ringe er mit dem Tod. Sein Bandkollege baut sich vor dem riesigen Gong in der Bühnenmitte auf und schlägt zu. "Love me, love me, love me", fleht Morrissey, aber das tun hier sowieso alle.

Es ist Freitagabend, der 22. Mai. Steven Patrick Morrissey ist heute 50 geworden und feiert den Geburtstag  mit einem Auftritt in seiner Heimatstadt Manchester, im alten Apollo Theatre vor 3500 Fans, die Halle ist natürlich ausverkauft. Gleich zu Beginn hat Morrissey einige der großen Hits seiner früheren Band The Smiths gespielt: "This Charming Man", "How Soon Is Now", "Girlfriend In A Coma". Zwischendurch kniet er sich an den Bühnenrand und hält sein Mikro ins Publikum. Es kommen Liebes- und Treueschwüre  aus den Lautsprechern, und obwohl der Jubilar sicher nichts anderes erwartet hat, schaut er doch ein bisschen ehrlich gerührt. 

Manche Fans sind aus den USA angereist

In den vorderen Reihen sieht man Morrissey-Doppelgänger, sie gehören zum harten Kern der Fans. Manche sind extra aus den USA oder Kanada hergeflogen, andere aus Israel. Aber auch viele Teenies aus Manchester stehen im Publikum, singen jede Zeile mit. Nach "I'm throwing my arms around Paris", der Single vom aktuellen Album, dürfen die Fans ein Ständchen anstimmen. "Ihr seid sehr gnädig", sagt Morrissey, "und wir sehr dankbar." Dann folgt "Ask", der nächste Smith-Klassiker. Jemand wirft Narzissen hoch auf die Bühne, das sind seine Lieblingsblumen.

"50 grausame Jahre", mit diesen Worten hat Morrissey sein Publikum begrüßt. Das war ironisch gemeint, genauso wie das Plakat, das ein Fan gemalt und an die Brüstung des Oberrangs gehangen hat: "Unhappy Birthday" steht darauf. So heißt ein Lied der Smiths, es passt aber auch gut zu dem Mann, dessen Stärke es ist, so  herzzerreißend vom Unglücklichsein zu singen. Unglücklich deshalb, weil eine Liebe nicht erwidert wird, weil man schon wieder allein ist oder weil man damals mit 16 schüchtern war und das bis heute irgendwie nicht verarbeitet hat. 

Auf der Bühne startet Morrissey ein Spiel. Das muss er nicht extra erklären, das macht er schon so lange, wie er sich Hemden vom Körper reißt. Mehr als die Hälfte seines Lebens. Das Spiel geht so: Während Morrissey singt, dürfen die Fans in den vorderen Reihen versuchen, die Bühne zu stürmen. Der Sänger fordert sie ständig dazu auf, mit kleinen Handbewegungen, mit Zuzwinkern. Natürlich müssen die Fans erst an den Sicherheitsleuten vorbei. Das schafft keiner.

Das alte Apollo ist in keinem guten Zustand. Vor allem die Bestuhlung nicht, aber Platz nimmt heute sowieso niemand. Außerdem hat die Wahl des Auftrittsorts einen Grund: Hier lernte Morrissey vor 31 Jahren den Gitarristen Johnny Marr kennen, auf einem Patti-Smith-Konzert - der Grundstein für die spätere Bandgründung.

Wo war Johnny Marr?

Fans hoffen schon lange auf eine Reunion der Smiths. Eigentlich seit 1987, als sich die Musiker im Streit trennten und Morrissey kurz darauf sein Solodebüt veröffentlichte. Auch vor dem Geburtstagskonzert wurde wieder spekuliert, ob Johnny Marr wohl zu Morrissey auf die Bühne steigt, für ein paar Lieder vielleicht. Zumindest aber im Publikum steht. Nichts davon passiert.

Andere spekulieren über einen baldigen Rückzug Morrisseys aus dem Showgeschäft. Der Sänger selbst hat es im Januar in einem Interview angedeutet. Wer ihn aber an diesem Freitagabend über die Bühne des Apollos tänzeln sieht, das Mikrofonkabel um sich schwingend, den Applaus genießend, der ahnt, dass Morrissey gar nicht anders kann, als weiterzumachen.

Kurz vor Schluss gelingt es doch noch einem weiblichen Fan, an den Sicherheitsleuten vorbei auf die Bühne zu klettern. Vielleicht hat man sie durchgelassen. Morrissey lässt sich umarmen, sie lässt gar nicht mehr los, bis sie weggezerrt wird von den Securitys.

Dann werden auch noch die anderen Fans beschenkt: Nach der ersten und einzigen Zugabe "First Of The Gang To Die" fliegen Drumsticks, Handtücher und Plektren ins Publikum. Kurz vorher hat der Sänger seine Kollegen in den Arm genommen, sich fallen lassen und alle mit auf den Boden gezogen.  "Man muss auch albern sein können", hat er danach gesagt. "Gerade an Tagen wie diesem." Sebastian Leber

Diesen Freitag spielt Morrissey in der Columbiahalle in Berlin. Das Konzert ist ausverkauft.

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