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Nina Hoss

© dapd

Porträt: Die Begeisterte

Eine von sieben: In Deutschland gibt es nicht viele Schauspielerinnen von internationalem Format. Nina Hoss gehört dazu – weil sie so offen ist.

Schon nach ein paar Berlinale-Tagen war Nina Hoss wie auf Droge. „Im Filmrausch“, sagt sie. Genau das hatte sie sich erhofft, als sie für die Jury der Berlinale angefragt wurde und zusagte, „mit vollem Schwung“, große Ehre schließlich. Über die Arbeit von Kollegen zu urteilen, mit Respekt, den eigenen Standpunkt formulieren und dann in der Diskussion vertreten zu müssen, das begeistert sie. Und Hoss schwärmt nicht auf Schauspielerinnenart, sondern glaubhaft. „So intensiv setzt man sich schließlich selten mit Film auseinander.“

Moment, hat sie als Frau mit einiger Kameraerfahrung nicht per se den professionellen Blick, wenn sie ins Kino geht? Das sei was anderes, entgegnet sie, gewöhnlich fehle eben der Kreis, mit dem man sich danach austauschen könne. „Und das ist eigentlich das, was Kino für mich ausmacht. Theater auch.“

Nina Hoss sitzt in der Lounge des Berlinale-Palastes, sie hat gerade Pause zwischen zwei Wettbewerbsfilmen, nebenan gibt ihre Jury-Kollegin Sandy Powell Interviews. Es herrscht aufgekratzte Festivalbetriebsamkeit, die kennt Hoss schon, wenngleich aus anderer Perspektive. 2007 gewann sie selbst den Silbernen Bären als beste Schauspielerin, für ihre Hauptrolle in Christian Petzolds Traumspiel „Yella“, hochverdient, versteht sich. „Wenn du im Wettbewerb läufst, ist es, als würdest du ans Haus klopfen. Wenn du in der Jury sitzt, bist du hinter den Kulissen. Jetzt kenne ich die Berlinale aus allen Winkeln!“

Nina Hoss ist eine der gar nicht so zahlreichen Schauspielerinnen von internationalem Format, die wir haben. Auch wenn sich das in ihrer Filmografie bislang nicht niederschlägt. Sie muss sich neben einer Isabella Rossellini jedenfalls nicht nach Augenhöhe recken, das wurde schon auf der Jury-Pressekonferenz zu Berlinale-Beginn deutlich, wo sie in ruhiger Kollegialität eine Antwort etwa mit dem Satz begann: „Mir geht es da ähnlich wie Frau Rossellini …“

Zwischen Hoss und Rossellini blieb der Platz frei, da hätte Jafar Panahi sitzen sollen. Sie reden immer noch viel über ihn in der Jury, „er fehlt“, sagt Hoss, „seine Stimme wäre ein großer Gewinn gewesen“. Glaubt sie an die Kraft von symbolischen Gesten, wie der Vorführung seines Films „Offside“? Ein flammendes Ja, „das zu unterlassen wäre fast wie ein Verrat“, findet sie, zollt enthusiastisch Panahis Mut Respekt, an das Festival, ungeachtet der Konsequenzen, den weithin verbreiteten Offenen Brief zu richten, in dem er schreibt: „Sie können mich nicht davon abhalten zu träumen“. „Und man sieht“, sagt Hoss, „was alles möglich ist, wenn man im Moment nach Tunesien, Algerien, Ägypten oder Jemen schaut, das hätte doch vor zwei Monaten niemand für möglich gehalten, unfassbar, wie großartig!“

In all diesen Ländern wird die Veränderungskraft des Kinos noch gefürchtet. Wie auch im Iran. „Jafar Panahi“, glaubt Nina Hoss, „halten sie deswegen für gefährlich, weil er so poetisch ist. Weil er mit Humor arbeitet und nicht politische Filme hinsetzt, bei denen man denkt, o Gott, das ist ja ein Wahlkampffilm. Sondern sie sind zutiefst menschlich.“

Hoss, die Tochter des Mitbegründers der Grünen, Willy Hoss, kann mit dem Begriff politischer Film ohnehin nichts anfangen. So würde sie auch nie ihre Erwartungen an einen Berlinale-Sieger formulieren: politisch muss er sein! „Fast kein Film kommt drumherum, einen gesellschaftlichen Zustand zu beschreiben, weil er von Schicksalen erzählt, die in einem Zusammenhang stehen. Und das sagt etwas über unsere Welt.“ Auch der Mainstream sei politisch, weil er viel über die Sehnsüchte eines Landes verrate, so hat es Christian Petzold mal formuliert, der Regisseur, mit dem Hoss vier Filme gedreht hat. Folgt sie ihm da? „Nein“, sagt Hoss, lachend, „ich folge ihm nicht, ich sehe das auch so.“ Punkt für sie. Klar hat sie ihren eigenen Kopf.

Kurz vor dem Gespräch wird eine Bitte von ihr übermittelt: Keine Fragen mehr zu Bernd Eichinger. Ist aber auch nicht nötig, am Vortag lief „Das Mädchen Rosemarie“, da hat sie gesagt, dass ihr Wegbereiter Eichinger auch ihr Wegbegleiter wurde, ihr Freund, und wie sie sich bei den Dreharbeiten von ihm umsorgt und auf Händen getragen fühlte.

Vielleicht noch eines, das mit ihm zusammenhängt: Haben wir hierzulande noch immer zu viel Krampf mit dem vermeintlichen Widerspruch zwischen Kunst und Kommerz? Sie seufzt ein bisschen. Sagt dann den schönen Satz: „Wenn wir uns alle mal ein bisschen beruhigen würden, könnten wir besser zusammenarbeiten.“ Letztlich seien doch alle Geschichtenerzähler, ob Arthouse oder Big Budget. „Natürlich erkenne ich einen Film – wie wir ihn teilweise auch hier auf der Berlinale sehen –, der nie ein großes Publikum finden wird. Aber den muss es geben, weil er den Mainstream auch beeinflusst und verändert. Weil er mutig von der Seite reingrätscht.“

Letzlich erzählen alle nur Geschichten, ob Arthouse oder Big Budget, sagt Hoss

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