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Sir Andrew Davis scheut sich nicht vor Mahler Siebter.

© Dario Acosta Photography

Andrew Davis und das DSO: Prächtig muss es sein

Monumental: Das Deutsche Symphonie-Orchester unter Andrew Davis spielt Mahlers siebte Symphonie in der Philharmonie- und kehrt dabei nichts untern Teppich.

Die Siebte war schon immer das Sorgenkind der Mahler-Gemeinde. Dieser feinnervige Komponist, der die Brüche, auf denen Europas Zivilisation vor dem ersten Weltkrieg scheinbar ahnungslos ruht, ohne Erbarmen zur Fratze und damit zur Kenntlichkeit entstellt hat, der das kommende Weltende wohl auch in seiner Musik erahnte – er schreibt auf einmal eine Per-aspera-ad-astra-Sinfonie im Geiste Beethovens. Mit einem plärrenden, „unbequem bequemen“ (Attila Csampai) Jubelfinale, in dem Adorno die „allzu benachbarte Festwiese“ erkennen wollte, und das in seiner kritiklosen Ungebrochenheit vor allem peinlich wirkt.

Um Mahler für Mahler zu retten, konzentrieren sich Apologeten immer wieder auf die wunderbar unheimlich dahinhuschenden drei Mittelsätze – die beiden Nachtmusiken und das Scherzo –, und kehren die beiden Ecksätze diskret unter den Teppich. Wenn Andrew Davis zum Deutschen Symphonie-Orchester kommt und Gustav Mahlers Siebte mitbringt, erinnert er daran, dass es auch eine andere Traditionslinie gibt. In England und den USA hat man seit jeher wesentlich weniger Probleme mit dem Werk, setzt es gern auf die Spielpläne.

Wie der Soundtrack zu einem biblischen Sandalenfilm

Weil angelsächsischen Ländern der Hang zur – manchmal ungesunden – Skepsis mitteleuropäischer, zumal Wiener Prägung komplett abgeht? In der Philharmonie jedenfalls ist vom ersten Einsatz des Tenorhorns an klar: Davis hat nicht vor, der Musik irgendeinen Zweifel einzuimpfen, um einem bestimmten Mahler-Bild gerecht zu werden. Prachtvoll, monumental, glänzend ist der Klang, als sei’s ein Soundtrack zu einem biblischen Sandalenfilm. Meisterhaft, mit bloßen Händen, moduliert er die Tonmassen, kanalisiert die Klangfarbenexplosion, geht dynamisch immer wieder an die Grenzen des gerade noch Erträglichen.

Auch Davis bevorzugt fahlere, durchsichtigere Töne in den drei Mittelsätzen, wo die Kuhglocken läuten und Gitarre und Mandoline zirpen – nicht besonders laut, aber wir haben es hier ja auch mit einer Serenade zu tun. Und dann also das Rondo-Finale, in dem Mahler unter anderem Wagners „Meistersinger-Ouvertüre“ mit Lehárs „Lustiger Witwe“ verrührt, das Ritornell acht Mal wiederkehrt, jedes Mal gesteigert in der Ausdruckskraft, über 20 Minuten lang. Sämig-golden der Klang bei den Streichern, und Davis dirigiert, als wolle er die Flucht nach vorne antreten: Wenn schon, dann bitte so prächtig wie möglich. Einen Sturz in die Affirmation muss das nicht unbedingt bedeuten. Gerade in der Übertreibung kann die Wahrheit manchmal umso stärker ans Tageslicht kommen.

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