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Kultur: Premieren feiern

Neues in der Kunst nähert sich leise. Anders als im Theater.

Neues in der Kunst nähert sich leise. Anders als im Theater. Da sitzt das Publikum vor dem großen Moment einer Premiere im Saal. Der Vorhang hebt sich. Vorstellung. Applaus! Bei einer Galerie ist das anders. Eine neue Adresse spricht sich erst langsam herum. Die Künstlernamen klingen noch fremd. Leise hebt sich die Jalousie und gibt den Blick nach innen frei. Zwei Galerie-Premieren sind in diesem Herbst besonders bemerkenswert: Schon beim letzten Berliner Kunstsalon hat Galerie BOX von sich reden gemacht. Hinter den schlichten drei Buchstaben stehen vier Berliner Künstler, die jeder auf seine Weise mit dem Unfertigen und Ausschnitthaften arbeiten, aber alle mit geschultem Blick fürs Detail (www.boxberlin.de) .

Aktuell sind die Fotografien von Gabriele Worgitzki (geb. 1973) zu entdecken. Große, poetische Bildproduktionen, die mit einer speziellen Lochkamera-Technik entstehen. Die Meisterschülerin von Katharina Sieverding hat Straßenmotive in Berlin-Wedding gesammelt (C-Prints hinter Plexiglas je 1800 Euro). Sie behielt dabei scheinbar unendliche Geduld, verwischte, schichtet die Momente und stellte am Ende doch immer einen entscheidenden Augenblick ins Zentrum. Mit augenzwinkernd fröhlichem Trotz baut sie tiefe Räume und Fluchten, wie Korridore in der Zeitwahrnehmung. Ewig ist jetzt, und jetzt ist ewig (Fidicinstraße 13, bis 6. Dezember) .

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Spuren einer geduldigen Ortserkundung sind auch in der neuen Galerie koal (Bergstraße 16, bis 21. Januar) zu entdecken. Für ihre erste Einzelausstellung mit dem Titel „Teufelssee“ hat die Amerikanerin Maureen Jeram (geb. 1971) immer wieder im sommerlichen Grunewald gemalt. Galerist Stefan Koal – der sich bei c/o Berlin und im Haus am Waldsee als Kurator seine Sporen verdient hat – gibt der Baselitz-Absolventin nun eine Bühne für ihre Berliner Premiere. Ein Debüt, das man wahrlich nicht zur Kategorie der Leicht-jung-und-schnell-Kunst zählen kann. Die fünf Motive im Galerieraum sind sichtbar langsam gewachsen. Endlose, penible Studien sind ihnen vorausgegangen, um das Licht, die Spiegelreflexe auf der nackten Haut oder die Schattenflecken im Blattwerk der Bäume einzufangen. Ihr beschwörendes Malen im alten Stil – kurz vor dem Kippen zum Kitsch, den sie mit völliger Absicht in einem schwebenden Zustand selbstironischen Zweifelns lässt, ja, das hat Format. Sie macht’s dem Betrachter allerdings nicht leicht. Man muss sich viel Zeit nehmen. Die Valeurs wirken lassen. Die Gesten aufnehmen. Dann entwickelt sich daraus, wie etwa der alte – bekleidete – Mann sein Rad dem jungen – nackten – Mann entgegenschiebt ein visueller Dialog, der Bände spricht. Es sieht so aus, als ob man nach einer Zeit der hitzigen Pirsch wieder die Ruhe für die geduldige Arbeit des leisen Kunstalltags findet (Gemälde 3000 bis 5000 Euro, Zeichnungen 600 Euro).

Thea Herold

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