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Die Expertin. Die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann arbeitet bei der Forschungsstelle "Entartete Kunst" und ist seit 2012 mit der Sichtung der bei Cornelius Gurlitt wegen Stueuerhinterziehung konfiszierten Werke befasst. Die Bilder der Klassischen Moderne selbst dürfen aus rechtlichen Gründen nicht online gezeigt werden.

© dpa

Pressekonferenz in Augsburg: In sehr gutem Zustand

Lokaltermin in Augsburg: An die Wand werden Fotos der konfiszierten Werke aus der Wohnung von des Kunsthändler-Sohns Cornelius Gurlitt geworfen. Einige der Bilder konnten identifiziert werden, über andere wird noch gerätselt. Und die Staatsanwaltschaft korrigiert so manches Detail, das in den letzten Tagen in den Medien kursierte.

Wenn die Bilder, stets nur für einige Sekunden, im kleinen Augsburger Gerichtssaal 179 auf die Leinwand geworfen werden, gehen Meike Hoffmann immer wieder die Augen über. „Das ist ein Courbet“, sagt sie etwa, das „Mädchen mit Ziege“. Das Werk galt als verschollen. „Hier Max Liebermann, ,Reiter am Strand’“. Einige Werke sind für die Berliner Kunsthistorikerin „echte Entdeckungen“, finden sich bei dem spektakulären Münchner Kunstfund doch Bilder, von denen niemand wusste, dass sie überhaupt existieren – etwa ein Selbstporträt von Otto Dix oder ein Bild von Henri Matisse, das nicht im Werkverzeichnis auftaucht.

Die Begeisterung Meike Hoffmanns, die an der Berliner Forschungsstelle „Entartete Kunst“ arbeitet, ist bei der eilig anberaumten Augsburger Pressekonferenz zu den Hintergründen des Kunstfunds deutlich zu spüren. Seit mehr als einem Jahr befasst sie sich mit der beschlagnahmten Sammlung des in München lebenden 80-jährigen NS-Kunsthändlersohns Cornelius Gurlitt. Es sei „ein unglaubliches Glücksgefühl“, sagtHoffmann, „wenn ich sehe, dass es diese Bilder noch gibt.“

Zumindest Teile des Geheimnisses, über das seit Sonntag nach einem „Focus“Bericht gerätselt wird, kann die Staatsanwaltschaft Augsburg lüften und Fehler in den Medienberichten korrigieren. Nicht 1500, sondern 1406 Werke wurden in der abgedunkelten Schwabinger Wohnung konfisziert. Der als Messie beschriebene Gurlitt ging zumindest mit seinem Kunstschatz sorgsam um. 121 gerahmte Bilder seien fachmännisch im Regal gestapelt gewesen, 1285 ungerahmte im Schrank übereinandergelegt. „Der Zustand der Bilder ist sehr gut“, sagt Hoffmann; in der 90-QuadratmeterWohnung befanden sie sich in einem eigenen Zimmer.

Entdeckt wurde der Schatz im Februar 2012, nicht schon im Frühjahr 2011, wie es bislang hieß. Immer mal wieder soll Gurlitt ein Bild verkauft haben, offenbar um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Es ist nicht bekannt, dass er je gearbeitet hätte, er erhält keine Rente, ist nicht in München, sondern Salzburg gemeldet. Gurlitt bleibt ein Phantom.

Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz hält es auch für „relativ unwahrscheinlich“, dass der Mann ein weiteres Kunstlager besitzt. Allerdings wurde sein Haus in Salzburg noch nicht durchsucht. Nemetz antwortet einsilbig an diesem Morgen in Augsburg. Wo hält sich Gurlitt auf? „Wir wissen es nicht.“ Besteht Kontakt zu ihm? „Nein.“ Er sei als Zeuge vernommen worden und war beim Abtransport der Sammlung anwesend. Einen Anwalt hat er nicht.

Deutlich lässt der Jurist die Anwesenden spüren, dass ihm die jüngste Veröffentlichung nicht passt: „Das ist nicht gut für die Ermittlungen“, die Arbeit der Ermittler werde nun behindert. Eine Auffassung, für die der Berliner Rechtsanwalt und Kunstexperte Peter Raue wenig Verständnis hat: Im Deutschlandradio kritisierte er die Geheimhaltung der bayrischen Behörden. Mit dem Öffentlichwerden hat sich allerdings die Sicherheitslage für die Sammlung verschärft: Die konfiszierten Werke lagern nicht beim Zoll in Garching, sondern an einem geheim gehaltenen Ort. Offenkundig wurde die Staatsanwaltschaft als weisungsgebundene Institution vom bayerischen Justizministerium aufgefordert, die Pressekonferenz anzuberaumen. Nach den Skandalen um den Psychiatrie-Insassen Gustl Mollath und die Presseplatzvergabe beim NSU-Prozess bemüht sich der neue Minister Winfried Bausback (CSU) um mehr Offenheit.

Bis die genaue Herkunft der Bilder geklärt ist, dürfte es noch viele Monate dauern. Die schwierigste Frage wird dann sein, was mit ihnen geschieht. „Wir haben nicht vor, sie zu behalten“, meint der Staatsanwalt trocken. Ermittelt wird gegen Gurlitt wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung, ansonsten dürfte die Mehrzahl der Bilder sein rechtliches Eigentum sein. Allerdings meldeten sich in Augsburg bereits erste Erben von NS-Enteigneten. So sprechen die Nachfahren des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim etwa von einem „begründeten Verdacht“, dass Werke aus der FlechtheimSammlung beim Gurlitt-Fund seien.

Nemetz hält es rechtlich für schwierig, Bilder an mutmaßliche Besitzer zu geben. Am Ende könnte ein Großteil der Werke bei dem alten Mann verbleiben. Wenn er sie sachgerecht aufbewahrt. Bisher jedenfalls hat er kein Interesse an einer Rückgabe bekundet. Patrick Guyton

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