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Weckt das Kulturpublikum am Morgen: Moderator Jörg Thadeusz.

© rbb/Gundula Krause

„Radio3 am Morgen“ im RBB: Klassik raus, Thadeusz rein

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat seine Kulturwelle kräftig reformiert. In der Morgenstrecke präsentiert ein Moderator vier Stunden Feuilleton.

Eine Kolumne von Joachim Huber

Wir unterbrechen an dieser Stelle die nicht enden wollende Diskussion, ob ein Radioprogramm, das sich der Kultur verschrieben hat, während seiner vier Morgenstunden auf klassische Musik verzichten darf. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sagt: ja – und hat mit „Radio3 am Morgen“ ein regional orientiertes Feuilleton auf den Weg gebracht.

Ein Moderator für vier Stunden

Ein Solo-Moderator, in dieser Woche ist es Jörg Thadeusz, stemmt die vier Stunden. Er empfängt Gesprächsgäste – man kennt sich, man schätzt sich –, die sich mit den Themen verbinden. Die Genres wechseln, die Garnisonkirche wird im Kommentargespräch verhandelt, der Comic „Homo sapiens“ rezensiert, ein Interview dreht sich um eine Dokumentation zu Eisern Union. Was die Welt da draußen bewegt, bewegt „Radio3 am Morgen“ kaum – außer in den stündlichen Nachrichten.

Die Weltabgewandtheit wirkt zuweilen welfremd, als würden die Themen der Zeit nicht für intellektuelle Exerzitien taugen. Vielleicht ist das für den „Auftakt einer Sendestrecke“ (RBB) zu viel verlangt. Bislang konzentriert sich „Radio3 am Morgen“ darauf, den Rahm von sehr viel Kultur in Berlin und sehr wenig Kultur in Brandenburg abzuschöpfen.

Vier Stunden Livemoderation sind auch für einen Jörg Thadeusz eine Herausforderung, eine Überforderung sind sie nicht. Er wirkt in den letzten 60 Minuten so frisch und quecksilbrig wie in den drei Stunden zuvor. Thadeusz muss nur aufpassen, dass er in seinem Willkommens- und Begeisterungsgestus für Themen und Gästen nicht zum Claqueur abdriftet. Positivismus in allen Ehren, auch Kultur und Kulturschaffende verlangen merkbare Äquidistanz, wenn nicht kritische Distanz.

Und die Musik? Alles außer Klassik, alles außer Pop-Mainstream findet sich auf der Playlist, es gibt Fremdes und Fremdartiges zu entdecken. Eine Tracy Chapman gilt den Machern wahrscheinlich schon als außerordentliches Zugeständnis. Ambitioniert ist toll, überambitioniert wirkt angestrengt.

Der RBB hat mit dem hörenswerten „Radio3 am Morgen“ Beachtliches gestartet. Das Bemerkenswerte darf noch dazukommen. Und damit zurück zur Diskussion, ob vor der Klassik das Knie gebeugt werden soll.

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