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Kultur: Rampen an Ruinen, Waldraum ohne Blätter

Von Frank Peter Jäger Seit im Charlottenburger Stilwerk die Rauminstallation „SylvanSpace“ steht, duftet es dort so heftig nach unbehandeltem Kiefernholz wie sonst nur in der Warenausgabe von Ikea. Der „Waldraum“ des Künstlerduos Marion Godau und Taco Holthuitzen ist die wohl raumgreifendste Installation, die in Berlin aus Anlass des Weltarchitekturkongresses entstanden ist.

Von Frank Peter Jäger

Seit im Charlottenburger Stilwerk die Rauminstallation „SylvanSpace“ steht, duftet es dort so heftig nach unbehandeltem Kiefernholz wie sonst nur in der Warenausgabe von Ikea. Der „Waldraum“ des Künstlerduos Marion Godau und Taco Holthuitzen ist die wohl raumgreifendste Installation, die in Berlin aus Anlass des Weltarchitekturkongresses entstanden ist. Eine 50 Meter lange, leicht ansteigende Rampe wird dicht an dicht von aufgepflanzten Kanthölzern gesäumt. Strecken sich die Stäbe dem Betrachter am Anfang wie riesenhafte Stachel wehrhaft entgegen, so richten sie sich mit jedem Schritt nach oben weiter auf, und unversehens wähnt man sich tatsächlich in einem Wald. Allerdings in einem Gehölz ohne Astwerk und Laub, irgentwo auf halbem Wege zwischen Natur und Architektur. Mit einfachen Mitteln entfalten die Künstler eine faszinierende plastische Wirkung, deren Dynamik der Besucher durch seine Gangart selbst bestimmt.

Zahlreiche Berliner Galerien und Institutionen nehmen den Kongress zum Anlass für eigene Veranstaltungen rund um das Thema Architektur und Stadt. Eine der herausragenden Unternehmungen ist die Ausstellungsreihe „Rethinking: Space - Time - Architecture“ (siehe Tagesspiegel vom 20.7.). In gemeinsamen Arbeiten haben je ein Architekt und ein oder mehrere Künstler das ästhetische Grenzland zwischen Architektur und Kunst erkundet. Neben den etwa 60 in Verkaufsgalerien ausgestellten Arbeiten präsentieren viele der Teilnehmer ihre Werke im öffentlichen Stadtraum.

Auch bei der Arbeit des Architekten Hermann Scheid und des Künstlers Colin Ardley wird der Besucher über eine ansteigende Rampe in das bis aufs rohe Mauerwerk entleerte, beeindruckend große Schiff von Karl Friedrich Schinkels Elisabethkirche geführt. Es ist das erste Mal seit 55 Jahren, dass die im Krieg ausgebrannte Kirche wieder zugänglich ist. Man hätte dieses Ereignis kaum effektvoller inszenieren können als mit diesem gewundenen Aufstieg, der die Besucher mitten in den Luftraum des Kirchenschiffs trägt. Um zerstörte Architektur geht es auch bei der Installation, die Veronika Kellndorfer im Erdgeschoss des Kreuzberger IG-Metall-Hauses zeigt: Sie hat die Leuchtbuchstaben und das angrenzende Fassadensegment des 1960 abgerissenen Stuttgarter Kaufhauses Schocken verkleinert nachgebaut und unlängst am Standort des „Originals“ in den Stadtraum gestellt.

Auf drei nebeneinanderliegenden Videoprojektionsflächen formt sich im Projektraum der Kunstwerke ein Bild von der Arbeit der Berliner Architekten Sauerbruch + Hutton. Basierend auf einem Gespräch, das das Paar vor zwei Jahren mit dem Kritiker Claus Käpplinger führte, schnitt und überlagerte die Künstlerin Ute Adamczewski die Stimmen der Architekten, Bilder ihrer Bauten und Stellungnahmen der Bauherren in einer Weise, die die Möglichkeit der Dreifach-Projektion ideal zur Geltung kommen lässt. Um die Würdigung eines – schon etwas umfangreicheren – Werkes geht es auch in der Galerie Aedes. Sie begeht Günther Behnischs 80. Geburtstag mit gleich zwei Ausstellungen.

In den Aedes-West-Räumen am Savignyplatz steht Behnischs Bauphilosophie im Vordergrund. Und Aedes East in den Hackeschen Höfen gibt sehr anschaulich Einblick in die aktuellen Projekte sowie die Arbeitsweise seines Stuttgarter Büros. Schon die Bilder vom skulpturalen Glashochhaus für die Norddeutsche Landesbank in Hannover lohnen einen Besuch.

Um zeitgenössisches Bauen wird es auch gehen, wenn am heutigen Dienstag ab 18 Uhr im ehemaligen Staatsratsgebäude das, erstmals international besetzte, „Architektonische Quartett“ den Rang von vier Bauten der deutschen Gegenwartsarchitektur diskutiert. Am Mittwoch, den 24. Juli stellt die „tageszeitung“ im Rahmen eines Symposiums in der Neuen Aktionsgalerie (DNA) die Frage: „Der Alexanderplatz. Vorposten der Mongolei?“ Thema der unter anderem mit Simone Hain und Dieter Hoffmann-Axthelm besetzten Diskussion sind die zunehmende „Osteuropäisierung“ Berlins und deren mögliche Folgen (Auguststraße 20, Mitte).

Zum Zentrum der „Social Events“ des Kongresses erkoren dessen Veranstalter den Postbahnhof am Ostbahnhof. Bevor aber gefeiert wird, gibt dort täglich ab 20 Uhr ein ausländischer Architekt Einblick in seine Arbeit – am Donnerstag Sigeru Ban aus Tokio. Alle Abend-Vorträge sind auch für Nicht- Kongress-Teilnehmer zugänglich. Nebenan, im Erdgeschoss des eigentlichen Postbahnhofs präsentiert die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aktuelle „Große Projekte“ der Berliner Stadtentwicklung.

Eine ziemlich entbehrliche Ausstellung, denn neben hochrangigen Vorhaben wie der Wiederherstellung der Museumsinsel zeigt man stolz auch manches städtebauliche Ärgernis vor – wie etwa das „DomAquarée“ an der Liebknecht-Straße in Mitte, das schon im Rohbau so austauschbar und plump aussieht, wie sein es ahnen lässt. Peinlich für den Gastgeber Berlin. Deutlich höher ist das architektonische Niveau der 83 Arbeiten, die die Berliner Architektenkammer auf ihrer Jahresausstellung „da!“ in der Eingangshalle des Regionalbahnhofs Potsdamer Platz präsentiert.

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