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Eine Anti-"Charlie Hebdo"-Kundgebung in Teheran, am 23. Januar. "Wir leben Mohammed", steht auf den Schildern, außerdem "Nieder mit Israel" und "Nieder mit dem zionistischen Frankreich".

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Reaktion auf Mohammed-Karikaturen: Iranisches Kulturinstitut lobt Wettbewerb für Holocaust-Karikaturen aus

Als Antwort auf die Mohammed-Karikaturen in "Charlie Hebdo" und anderen westlichen Medien provoziert ein Teheraner Kulturinstitut mit einem Wettstreit für Holocaust-Zeichnungen. Israel, die deutsche Regierung und zahlreiche Politiker protestieren aufs Schärfste.

Öffnung Richtung Westen einerseits, Provokation andererseits: Die jüngsten Meldungen aus Irans Kulturszene sind denkbar widersprüchlich. So ruft das Teheraner Kulturinstitut Sarcheshmeh gemeinsam mit dem dortigen „Haus der Karikatur“ zum zweiten sogenannten Karikaturen-Wettbewerb über den Holocaust auf, als Reaktion auf Mohammed-Karikaturen im Westen und im französischen Satiremagazin „Charlie Hebdo“, dessen zweite Ausgabe seit den Pariser Anschlägen vom Januar am gestrigen Mittwoch erschienen ist. Die Karikaturen für den Teheraner Wettbewerb können bis zum 1. April eingereicht werden, dem Sieger winkt ein Preisgeld von umgerechnet rund 20.000 Euro. Geplant sind außerdem ein Katalog und eine Ausstellung.

Die Bundesregierung nimmt die Aktion "mit allergrößtem Unverständnis" zur Kenntnis

Ausgelobt wurde der Wettbewerb bereits Ende Januar. Die Bundesregierung reagierte am gestrigen Mittwoch entsetzt: Man nehme die Aktion „mit allergrößtem Unverständnis“ zur Kenntnis. „Wir sind zutiefst betroffen von den Versuchen, den Mord an sechs Millionen Juden zum Gegenstand von Spott und Lächerlichkeit zu machen“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Auch zahlreiche Bundestags-Abgeordnete protestierten. Der Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, Volker Beck (Grüne), sprach laut „Handelsblatt“ von einem „Aufruf zum Judenhass und zu ihrer Vernichtung“. Jan Korte (Linke) nannte den Wettbewerb "widerlich" und "abstoßend". Auch der Direktor des Europabüros des American Jewish Committee in Brüssel, Stephan Kramer, forderte eine klare Positionierung gegen die Aktion. Das sei "die beste Antwort auf das Propaganda-Spektakel", sagte er dem "Handelsblatt". Israel hatte bereits vor einigen Tagen an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon appelliert, den Wettbewerb zu verurteilen. Er legitimiere das Leugnen des Holocaust, so der israelische UN-Botschafter Ron Prosor in seinem Schreiben.

Bis Mai läuft im Teheraner Museum for Contemporary Arts (TMOCA) die Otto-Piene-Ausstellung "Rainbow".
Bis Mai läuft im Teheraner Museum for Contemporary Arts (TMOCA) die Otto-Piene-Ausstellung "Rainbow".

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Bereits 2006, nach dem Mordanschlag auf den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard, hatte es im Iran einen Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb gegeben, mit über 1200 Einreichungen aus aller Welt. Ausrichter war die Zeitung „Hamshahri“, herausgegeben von der Teheraner Gemeindeverwaltung. Den ersten Preis erhielt der Marokkaner Abdellah Derkaoui, sein Cartoon zeigte die im Bau befindliche Mauer zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten, auf der das Tor des Konzentrationslagers Auschwitz abgebildet ist.
Im Spannungsfeld zwischen konservativen und liberalen Kräften sehen sich die iranischen Kulturschaffenden immer wieder mit Ungereimtheiten und Willkür konfrontiert. So reagierten die Medien kritisch auf die Verleihung des Goldenen Bären an Jafar Panahi und seinen Film „Taxi“ vor zwölf Tagen, gleichzeitig muss der rechtskräftig verurteilte, mit Berufsverbot belegte Regisseur seine sechsjährige Haftstrafe bis heute nicht antreten.

Ebenso eröffnete am Dienstag eine Otto-Piene-Ausstellung im Teheraner Museum for Contemporary Arts; von der ersten Einzelausstellung des im Juli 2014 in Berlin gestorbenen Künstlers erhofft sich die Museumsleitung einen Brückenschlag Richtung Westen. Der als liberal geltende Kultusminister Ali Dschannati strebt erklärtermaßen einen Imagewandel des Landes über Kunst und Kultur an. Ob der Staat beim derzeitigen Karikaturen-Wettbewerb beteiligt ist, ist allerdings unklar.
Das Kulturinstitut kritisierte außerdem angebliche Beschränkungen bei der Erforschung des Holocaust. Dessen Ausmaß werde übertrieben, Wissenschaftler sollten „das Recht haben, über den Holocaust zu recherchieren“. Irans früherer Präsident Ahmadinedschad hatte die Opferzahlen der Shoah immer wieder in Frage gestellt und 2006 eine entsprechende Konferenz veranstaltet. Der jetzige Präsident Hassan Ruhani distanzierte sich nach seiner Amtsübernahme 2013 von dessen Äußerungen. (mit dpa)

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