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Kultur: Realistisch bleiben!

Vorübergehende Störungen begleiten den deutschen Auftakt beim Theaterfestival von Avignon

Begleitet von heftigen Protesten französischer Bühnenarbeiter, hat Thomas Ostermeier mit seiner Berliner Inszenierung von Büchners „Woyzeck“ im Ehrenhof des Papstpalastes von Avignon das 58. Theaterfestival an der Rhone am Donnerstagabend offiziell eröffnet. Bis kurz vor Beginn war unklar gewesen, ob die Vorstellung überhaupt stattfinden könne: Im vergangenen Jahr hatte ein Streik der Bühnenarbeiter zum Abbruch des größten und renommiertesten Theaterfestivals Frankreichs geführt.

Auch eine Diskussion der deutschen Kulturstaatsministerin Christina Weiss mit ihrem französischen Amtskollegen Renaud Donnedieu de Vabres und dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller zuvor war massiv gestört worden: Die Bühnenarbeiter – intermittents –, die in Frankreich jeweils saisonweise angeheuert werden, protestieren dagegen, dass nach einer Regelung von 2003 ihre Sozial- und Arbeitslosenversicherung beschränkt worden ist, und drohen auch in diesem Jahr mit Abbruch des Festivals. Die Diskussion, die sich mit den Vorzügen kultureller Vielfalt in Europa beschäftigen sollte, erhielt auf diese Weise unvermutete Aktualität.

Mit Inszenierungen von Thomas Ostermeier, Frank Castorf, René Pollesch, Sasha Waltz und Constanza Macras steht die erste Festivalwoche in Avignon ganz unter deutschen, speziell Berliner Vorzeichen: ein radikaler Neubeginn für das unter dem vorherigen Festivalleiter Bernard Faivre d’Arcier eher klassische Theatertreffen. Das neue, junge Festivalteam von Avignon – Hortense Archambault und Vincent Baudriller – hat mit Thomas Ostermeier einen künstlerischen Berater engagiert, der in Frankreich besonders wegen seines „neuen Realismus“ und seines Bezugs auf die ostdeutsche Theatertradition von Bertolt Brecht und Ernst Busch geschätzt wird.

Im kommenden Jahr soll der belgische Künstler und Choreograf Jan Fabre das Festival beraten.

Christina Tilmann

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