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Kultur: Rechtschreibreform: Der neue Duden - Einfalt durch Vielfalt (Leitartikel)

Sprache ist ein Werkzeug: Passt nicht überall, ist aber Signalflaggen und Maschinengewehren weit überlegen, wenn es darum geht, vernünftig miteinander auszukommen. Deshalb müsste uns daran liegen, dieses Werkzeug mit äußerster Präzision zu nutzen und unmissverständliche Gebrauchsanweisungen zu formulieren.

Sprache ist ein Werkzeug: Passt nicht überall, ist aber Signalflaggen und Maschinengewehren weit überlegen, wenn es darum geht, vernünftig miteinander auszukommen. Deshalb müsste uns daran liegen, dieses Werkzeug mit äußerster Präzision zu nutzen und unmissverständliche Gebrauchsanweisungen zu formulieren. Der Duden, der viele Jahrzehnte als quasi amtliches Wörterbuch der deutschen Sprache fungierte, war einmal eine solche Gebrauchsanweisung.

Doch was ist davon geblieben? Die jetzt erschienene Neuausgabe bietet statt normativer Kraft allzuviel buchhalterischen Voluntarismus, bezieht kaum mehr Stellung, sondern stützt die unglückselige Rechtschreibreform nolens volens durch einen gewaltigen Verhau von Regeln, deren Grundprinzip die - mindestens befristete - Ausnahme ist. Die deutsche Sprache ist wieder ein Stück unpräziser geworden; würden die Klempner hier zu Lande mit einem ähnlichen Werkzeug hantieren, wateten wir alle in knietiefem Wasser.

Der Sündenfall des Dudens begann in den Diskussionen der siebziger Jahre im Gefolge einer sich als emanzipatorisch verstehenden Sprachwissenschaft, die die Not des schreibenden Arbeiterkindes in den Mittelpunkt rückte. Bald wurde nur noch gefragt, wie denn durch Abschleifen möglichst vieler Sprach-Kanten dem Terror des Deutsch-Diktats zu begegnen sei; dass es im Gegenteil Sinn der Sprachnormierung sein müsste, das Lesen zu erleichtern und nicht das Schreiben, galt als reaktionäre Außenseitermeinung.

So schien es geradezu basisdemokratisch, dass die nur durch Gewohnheitsrecht legitimierte Duden-Redaktion die Verantwortung für richtigen Sprachgebrauch erleichtert an das souveräne Volk abtrat: Fortan galt tendenziell alles als richtig oder zumindest diskutabel, wenn es nur von genügend Deutschen vorgemacht wurde, die häufig manierierte Magazin-Schreibe, der von Moden geschüttelte Jugendjargon, der Techniker-Slang, das Soziologen-Chinesisch. Ob all das auch für den Leser verständlich war? Nächste Frage.

Nicht einmal der - paradoxerweise durchaus autoritäre - Versuch der Kultusminister, dem Land eine neue Rechtschreibung zu verordnen, hat daran etwas geändert. Auch ihre Reform ist geprägt von der Missachtung des Leserwillens. Und diese Missachtung zieht sich nun auch durch den Wortkatalog des neuen Dudens.

Wäre es nicht angesichts der Flut unsinniger Anglizismen ein schönes Unterfangen gewesen, wenigstens den ganz groben Blödsinn aus unserer Sprache heraus zu halten? Doch das Gegenteil geschieht: Die Redaktion beteiligt sich sogar ohne jede Not an dem neuen deutschen Volkssport, englische Begriffe zu erdenken, die so kein Engländer jemals gehört hat, und sie präsentiert uns deshalb im Computerrausch voller Stolz Vokabeln wie downloaden oder auch highlighten.

Ja, wir dürfen diese neuen Wörter sogar mit allerhöchstem Segen konjugieren, bis der Notarzt kommt: Ich werde gedownloaded, du warst gehighlightet gewesen. Und das populistische Hecheln nach debilen Reizworten wie Maschendrahtzaun oder Warmduscher wirkt, als habe der Kampf um Einschaltquoten auf den Wörterbuch-Markt übergegriffen. Wer hat die geilsten neuen Wörter?

Egal, wie viele Deutsche diese Buchstabensuppe am Ende auslöffeln: Durch den Amtsverzicht der korrigierenden Instanz, die der Duden einmal war, droht die Basis unserer Verständigung in den Partikularismus getrennter Slang-Zonen zu zerfallen, zwischen denen nur noch Minimal-Kommunikation möglich ist.

Nun ist freilich klar, dass der Ausweg aus dieser Sprachverwirrung nicht die Rolle rückwärts in die fünfziger Jahre sein kann. Der ingrimmige Revisionismus der FAZ, so verständlich er auch sein mag, hat ja in erster Linie das Durcheinander noch gesteigert. So gesehen, war es der Sarkasmus des Jahres, als der Leiter der Duden-Redaktion gestern tönte, das Vertrauen in sein Werk sei ungebrochen. Ja, wie denn sonst? Der Schiffbrüchige vertraut ja auch jedem Strohhalm. Es wäre angenehm, würde man sich beim Duden dazu durchringen, wenigstens wieder eine Art Rettungsboot sein zu wollen.

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