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Rechtschreibung: Ende des Glaubenskrieges

Fast fünf Monate nach Einführung ist die Rechtschreibreform nach Ansicht von Experten in den Schulen angekommen. Dass Politiker sich noch einmal mit dem Thema beschäftigen, glauben sie nicht.

Berlin - Der Vorsitzende des Rates für deutsche Rechtschreibung, Hans Zehetmair, sagte zum Jahreswechsel im ddp-Interview: "Es ist endlich die Ungewissheit weg, wie man denn nun schreibt und die daraus resultierende Gefahr, dass man schreibt, wie man will." Uneingeschränkte Zufriedenheit herrscht aber nicht überall: Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, sah "eine gewisse Resignation" in den Schulen.

Zehetmair sagte, zwar könne man noch nicht sagen, ob die Fehler in den Schulen weniger geworden seien. Ihm komme es jedoch darauf an, "dass die Sprache ihre Sinnhaftigkeit wieder erhält".

Kraus betonte, man habe sich in Unsicherheiten "eingerichtet": "Ein Glaubenskrieg ist es nicht mehr." Die Resignation werde jedoch irgendwann "in Beliebigkeit" münden. Langfristig würden sich dann nur die Regeln zur S-Schreibung als verbindlich durchsetzen.

"Relativ liberal"

Die neue S-Schreibung, die festlegt, dass auf kurze Vokale "ss" und auf lange Vokale "ß" folgt, werde ernst genommen und konsequent umgesetzt. Probleme gebe es aber weiter bei der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung. Mit Blick auf die nun mögliche Variantenvielfalt sagte Kraus, die Lehrer würden künftig "relativ liberal" an Korrekturen herangehen.

Auch der Vorsitzende des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte: "Man hat sich mittlerweile mit der Realität abgefunden, dass die große Erleichterung nicht kommen wird." Sowohl die alten als auch die neuen Regeln hätten Widersprüche. Er glaube jedoch, "dass kein Politiker die Sache noch mal anfassen wird".

Ähnlich äußerte sich Zehetmair: "Wir haben die deutschschreibende Bevölkerung über eine Dekade in der Hängepartie gelassen. Es ist nicht zu verantworten, noch mal Unsicherheit zu verbreiten."

Viele Fehler bei Groß- und Kleinschreibung

Meidinger hält es für unrealistisch, dass sich die Fehlerquote in den Schulen wie erhofft um 50 bis 70 Prozent reduzieren werde. Die meisten Fehler würden bei der Groß- und Kleinschreibung gemacht und diese Unterscheidung sei auch durch die Reform nicht aufgehoben worden. Deutschland sei europaweit das letzte Land, das noch die Groß- und Kleinschreibung habe, kritisierte der Verbandschef, der sich für diesen Bereich noch "eine bessere Lösung" wünschte.

Zehetmair erteilte diesem Wunsch indes eine Absage. Der Vergleich zum Beispiel mit dem Englischen trage nicht, weil es auch dort Sonderregelungen gebe, was man groß schreibe.

Seit 1. August gelten bundeseinheitliche Regeln für die deutsche Rechtschreibung. Um die Reform, die eigentlich seit 1996 beschlossene Sache war, war lange gerungen worden. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hatte zahlreiche Korrekturen angemahnt. (Von Nadine Emmerich, ddp)

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