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Beate Zschäpe: Rosarotes Hemd, eisiger Blick.

© tsp

Rechtsextremismus: Beate Zschäpe wird zum Sensationsobjekt

Das Shirt von Tommy Hilfiger, die Jeans mit Herzchen: Ein Video des Bundeskriminalamtes macht aus der NSU-Terroristin Beate Zschäpe eine Kunstfigur.

Von Frank Jansen

Sie dreht sich kurz von links nach vorne und blickt dann frontal in die Kamera. Der Blick wirkt eisig, genervt, die Lippen sind aufeinander gepresst. Doch die verschlossene Mimik wird von dem offenen, üppigen Haar gekontert. Und geradezu grotesk auch von dem rosaroten T-Shirt mit dem verspielten „Hilfiger“-Logo und der Schlabberjeans, auf der vorderen linken Hosentasche ist ein Herz aufgestickt. Beate Zschäpe sieht aus wie eine Hippie-Frau, die gerade von „Peace“ auf „Hate“ umgeschaltet hat. Anschließend folgt eine Sequenz, in der die 37-Jährige mit straff nach hinten gebundenen Haaren auftritt. Das erinnert eher an die bekannten Bilder von ihr, zumal nun die strenge Frisur zur frostigen Miene passt. Der „Nationalsozialistische Untergrund“ bekommt im Nachhinein, so scheint es, ein aktuelles Gesicht, in zwei Varianten. Eine Inszenierung, die verstört.

Das Video stammt vom Bundeskriminalamt, das die seit einem Jahr inhaftierte Zschäpe im Juli filmte, um möglichen Zeugen der NSU-Verbrechen mehr zu zeigen als, wie sonst üblich, mehr oder weniger gelungene – so der kriminalistische Terminus – „Wahllichtbildvorlagen“. Die ARD hat Samstagabend in den „Tagesthemen“, nicht ohne Stolz von Moderator Tom Buhrow angekündigt, Ausschnitte daraus gezeigt. Dazu wurde einer der Verteidiger Zschäpes befragt, der sich über die BKA-Methode wunderte. Sie hat für Zschäpe unangenehme Folgen.

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Eine Zeugin meint nun, sie habe in dem Video Zschäpe als die Frau wiedererkannt, die am 9. Juni 2005 in einem Nürnberger Edeka-Markt stand, kurz bevor die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im benachbarten Imbiss den Türken Ismail Yasar erschossen. Für die Bundesanwaltschaft ein Grund, Zschäpe zu beschuldigen, sie sei bei dem Mord am Tatort gewesen. Und aus Sicht der Ankläger ein Indiz mehr für den Vorwurf, Zschäpe sei der Mittäterschaft an zehn Morden schuldig. Mit einer derart schwerwiegenden Anklage war seit der Wiedervereinigung noch keine Frau konfrontiert, die aus der rechtsextremen Szene stammt.

Mit der Anklage und dem Video ändert sich das Bild, das die Öffentlichkeit bis vor einem Jahr vom Rechtsextremismus hatte. Die Dominanz der Fratze des männlichen, kurzhaarigen Neonazis als Sinnbild brauner Gewalt wird, zumindest für den Moment, gebrochen. Obwohl Frauen in der rechtsextremen Szene weiterhin eher eine Randerscheinung darstellen. Doch mit Beate Zschäpe ist erstmals und gleich in unerhörtem Ausmaß eine Frau die Hauptfigur in einem Verfahren zu rassistischen Schwerverbrechen. Allerdings aus dem makaberen Grund, dass sie als Einzige aus dem Trio überlebt hat. So wird Zschäpe auf bizarre Weise prominent. Sie ist jetzt in der medialen Wahrnehmung eine Negativ-Ikone, die an die Frauen der Roten Armee Fraktion heranreicht. Und in Teilen der rechtsextremen Szene ist Zschäpe so groß, dass nicht nur Neonazis ihr Liebesbriefe schreiben, sondern sogar der ultimative Protagonist des Rechtsterrorismus seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der norwegische Massenmörder Anders Breivik, die „liebe Schwester Beate“ um eine Brieffreundschaft bittet.

Die Banalität des Bösen

Mit dieser Glorifizierung korrespondiert punktuell die Kultur der medialen Wahrnehmung des Rechtsextremismus. Dass die ARD das Video ausstrahlt, und dann noch in den Tagesthemen, zeugt von Zschäpes Rang als Sensationsobjekt. Da wird die Banalität des Bösen für einen investigativen Effekt genutzt. Die Story der BKA-Aufnahmen, kombiniert mit der Überleitung zum NSU-Mord an Ismail Yasar in Nürnberg, hätte auch mit einem Standbild Zschäpes aus dem Video erzählt werden können. Aber die von der ARD angenommene Neugier der Öffentlichkeit an einer Zschäpe in Haft mit diversen Frisuren ließ wohl die Ausstrahlung der Filmsequenzen nötig erscheinen.

Das schafft Unbehagen, bei allem Verständnis für das Bedürfnis eines Fernsehsenders nach bewegten Bildern. Und schon jetzt befremdet die Vorstellung, wie sich im kommenden Jahr beim Prozess gegen Zschäpe und die vier weiteren Angeschuldigten Kamerateams und Fotografen auf die Frau stürzen werden. Zu erwarten ist auch, dass bis dahin in der Berichterstattung über Zschäpes NSU-Biografie die Tendenzen, das Thema zu einem „Tatort“-kompatiblem Stoff aufzubereiten, zunehmen werden. Die öffentliche Präsentation von Zschäpe in rosarotem „Hilfiger“-Shirt und Herzchen-Jeans ist da nur ein Beispiel. Im Oktober verniedlichte die „Süddeutsche Zeitung“ in der Überschrift einer Seite-3-Reportage Zschäpe als „Böses Mädchen“. Offenbar werden die „Böhsen Onkelz“ von einer „Böhsen Zikke“ beerbt.

Am härtesten trieb es die „Bild“-Zeitung. Noch im November 2011, die Terrorzelle war gerade erst aufgeflogen, präsentierte „Bild“ auf der Titelseite ein Schlafzimmerfoto von Zschäpe und Uwe Mundlos. Die Schlagzeile lautete „Nazi-Braut im Bett mit dem Killer!“

So mutiert Zschäpe zur Kunstfigur. Ein böses, geiles Girlie mit Herzchen-Hose. Der Versuch, die Banalität des Bösen zu beschreiben, endet manchmal banal.

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