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Kultur: Redezeit und Wortsinn

KUNST

Im ruhigen Rhythmus leuchten Wörter auf einer Schrifttafel hoch über dem Quader der Berliner Vertretung der Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in den Ministergärten auf: „dagegen zu können falsch uns ihnen sagen die frage wir denke klar...“. Redezeit ist der Titel der Installation von Andreas Sachsenmaier . Von Leuchtstoffröhren werden die Verben und Substantive erhellt. Der Fluss scheint kein Ende zu finden. Dreißig Wörter stehen in verschiedenen Schrifttypen in der fünf mal drei Meter großen Fläche. Liest der Betrachter die kurzen Sequenzen, so meint er einem Dialog zu folgen. Dessen Thema erschließt sich ihm allerdings nicht. Letztlich umkreisen die Wörter Leerstellen, entpuppen sich als Worthülsen und Textschablonen.

„Die Vertretungen sind das Sprachrohr der Bundesländer. Dafür wollte ich ein Bild finden“, erklärt Sachsenmaier. Das gelang. Punktgenau dort, wo sich das politische Geschehen von Bund und Ländern konzentriert, visualisiert die Installation verbale Strukturen des politischen Prozesses. Aus Reden von Politikern, die Sachsenmaier im Internet fand, extrahierte er 700 Satzfetzen. Die nicht zufällige Abfolge der Sprüche wiederholt sich in der Installation erst nach über sechs Stunden. Das langsame Auftauchen der Wörter aus dem Dunkel und deren anschließendes Verschwinden in der schwarzen Fläche wirkt meditativ. Wie sich ständig wiederholende, letztlich sinnlose Mantras spult sich die Wörtermaschine der politischen Rede vor dem in die Höhe blickenden Betrachter ab.

Richard Rabensaat

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