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Wenn die Wasserflasche leer ist, wird der Roadtrip direkt anstrengender.

© Patrick Pleul/dpa

Reisefieber (6): Die Sommerserie: Kloß im Hals

Aufregung, Angst, Abenteuer: Reisen ist der individuelle Ausnahmezustand. An dieser Stelle erzählen wir in den Sommerwochen davon – mit erhöhter Temperatur.

Von Andreas Austilat

Lange ist’s her: Thomas und ich sind jung, gute Freunde und haben einen großen Plan. Wir wollen Griechenland per Anhalter bereisen, wie Roadmoviehelden. Endlich haben wir, auf dem Rücksitz eines älteren Opels, die Rucksäcke auf dem Schoß, den Peloponnes erreicht. Da lässt der Fahrer den Wagen am Straßenrand ausrollen, dreht sich um und gibt uns gestenreich zu verstehen, er müsse jetzt nach rechts, wir nach links. Den Umweg könne er wohl machen. Nur: Geld geben sollten wir ihm dann schon.

Niemals! Entrüstet bestehen wir auf unserer Tramper-Ehre und steigen aus. Auf dem Asphalt spüren wir, wie heiß es ist. Durch den Fahrtwind hatte ich das zuvor nicht so bemerkt. Noch überraschender: Es kommt überhaupt kein Auto mehr! Also beschließen wir am Abend, am Straßenrand unser Zelt aufzubauen.

Vorm Einschlafen trinke ich meinen letzten Schluck Wasser. Ich lege mich auf den Schlafsack und versuche, mich zu erinnern, wo genau ich eigentlich meine zweite, noch volle Flasche weggeworfen habe. Das muss gleich hinter Athen passiert sein. Ich fand wohl, wir schleppen sowieso viel zu viel Krempel mit.

Die eigene Wasserflasche ist leer - aber beim Mitreisenden ist noch was drin...

Am Morgen habe ich einen furchtbaren Kloß im Hals, schüttele reflexhaft meine Flasche. Immer noch leer, logisch. Thomas scheint zu schlafen. Darauf tue ich etwas sehr Hässliches: Ich schüttele seine Flasche. Es ist noch etwas drin. Ich nehme nur einen ganz kleinen Schluck – Ehrenwort! Und trotzdem.

Bis zum nächsten Ort sind es knapp 20 Kilometer. Missmutig packen wir unser Zeug und trotten los. Da geschieht ein kleines Wunder: Ein Wagen überholt uns. Wir haben ihn nicht kommen hören, nun sehen wir geschockt, dass er weiterfährt. Aber wir hüpfen, brüllen, rudern mit den Armen – und er stoppt. Was für ein wunderbares, surrendes Lied singt dieser Rückwärtsgang! Bald setzt uns der Fahrer in einer Taverne ab, und gebe Thomas zwei Flaschen Orangenlimo aus.

Ich habe ihm nie erzählt, dass ich mich an seinem Wasser vergriffen habe, die Sache war einfach zu peinlich. Bis heute glaube ich, er hat es nicht bemerkt. Längst haben wir uns aus den Augen verloren, nur vergessen habe ich die Geschichte nicht. Solltest du diese Zeilen lesen, Thomas: Es tut mir leid.

Bisher erschienen: Träge Tropen, Gelbes Leuchten, Schwarze Sonne, Schwarm und Schock und Vater ist weg

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