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Kultur: Rekorde statt Rosen

In Amerika schnellen die Preise für Fotografie nach oben, in Deutschland bleibt der Markt launisch

Das Motiv passt zum Tag der Romantik: Durch schlanke Bäume fällt Mondlicht und spiegelt sich in einem Teich. Die impressionistische, mehrfach belichtete Aufnahme „The Pond – Moonlight“, die Edward Steichen im Jahr 1904 machte, verbreitet eine romantische Stimmung – verzauberte Schwermut, wie sie einem aus einer Eichendorff-Novelle entgegenströmt. Aber natürlich war es Zufall, dass eine der drei Gummi- und Platinabzüge dieser Aufnahme just am Valentinstag für Schlagzeilen sorgte: Auf Sotheby’s erster Fotografie-Session des Jahres in New York wurden für „The Pond – Moonlight“ unglaubliche 2,9 Millionen Dollar geboten. Noch nie wurde für eine Fotografie so viel gezahlt. Dieser Höchstpreis, den der New Yorker Galerist Peter MacGill im Auftrag eines anonymen Privatsammlers aufbot, übertrifft den bisherigen Rekordpreis für eine Fotografie um das Doppelte. Neben dem Steichen-Bild aus dem Doublettenbestand des Metropolitan Museum of Art wurden auch alle anderen Lose umgesetzt – zumeist für ein Vielfaches ihrer Schätzpreises. So konnte Alfred Stieglitz’ Aufnahme der Hände seiner Frau Georgia O’Keeffe aus dem Jahre 1919 mit 1,3 Millionen Dollar seine Taxe verdreifachen.

Diese Sensation zu deuten, fällt nicht leicht: Handelt es sich um ein singuläres Ereignis, oder lässt sich daran ein Trend ablesen? Was sagt dieser Erfolg über das Interesse an Fotografie aus? Nur eines scheint vorerst sicher zu sein: Solche Höchstpreise werden nur in New York gezahlt. Der amerikanische Markt unterscheidet sich vom europäischen gewaltig. Simone Klein vom Kölner Auktionshaus Lempertz erinnert daran, dass es einen stetig gewachsenen und soliden US-Markt für Fotografie gibt. Während Sammler in Europa seit Jahren ein steigendes Interesse für zeitgenössische Fotokunst zeigen, „finden die historische und klassische Fotografie nur selektives Interesse.“ Für den außergewöhnlich hohen Zuschlag, den das 40 mal 48 Zentimeter große Steichen-Blatt erzielte, sprechen laut Klein mehrere Gründe: Motiv, Umsetzung, Seltenheit, Provenienz, die kunsthistorische Bedeutung, der Künstler und das Marketing.

Hendrik A. Berinson von der Berliner Galerie Berinson, der sich auf den Handel mit Vintage-Fotografie spezialisiert hat, kann in dem neuen Rekord dann auch keinen Trend entdecken. Viel mehr spiele es eine Rolle, dass Bestände aus einem Museum zum Verkauf standen. Berinson betont, wie schwierig die Auseinandersetzung mit historischer und klassischer Fotografie sei, wie wenig sie kurzfristigen Trends folge und welcher Ausdauer, Leidenschaft und welchen Wissens sie bedürfe.

Das beginnt schon bei der Diskussion von Begriffen wie „Vintage“ oder „Original“. Vintage bezeichnet zeitnah zur Aufnahme abgezogene Fotografie – aber was bedeutet „zeitnah“? Simone Klein definiert Vintage als „die höchste Qualitätsstufe für einen fotografischen Abzug im Bereich der klassischen Fotografie. Aber ein Vintage ist nicht automatisch ein Meisterwerk oder der beste Abzug.“ Klein beschränkt den Begriff auf Werke, die zwischen 1910 und 1950 entstanden sind. Berinson hingegen entscheidet eher von Objekt zu Objekt. Wichtig sei, dass der Fotograf den Abzug selbst legitimiert hat. Rudolf Kicken, der mit seiner Frau Annette die Berliner Fotogalerie Kicken leitet, ist sich sogar sicher, dass der Begriff Vintage an Bedeutung verlieren wird: „Wichtiger als das Abzugsdatum werden die Qualität eines Abzugs, seine Qualität und die Provenienz“. Noch schwieriger ist die Frage nach dem Original einer Fotografie. Sollte man sich nicht angesichts der Reproduzierbarkeit von Fotografien längst von der Vorstellung eines Originals verabschiedet haben? Sicher ist, dass sich mit diesen Fragen auch der Status einer Arbeit als Kunstwerk entscheidet. Was Kunst ist und was nur privates oder kunstgewerbliches „Knipsen“, wird seit den frühen Tagen der Fototechnik diskutiert.

Aufwind erhält der Streit darüber auch durch neu entstehende Editionsgalerien – Galerien also, die Kunstfotografien in hoher Auflage verkaufen. Ein Beispiel ist die Berliner Editionsgalerie Lumas: Sie bietet signierte Abzüge in einer Auflage von 75–200 Stück zu Preisen zwischen 100 und 2000 Euro an. Darunter finden sich bekannte zeitgenössische Fotokünstler wie Juergen Teller, Candida Höfer oder das Ehepaar Becher. Aber auch historische Aufnahmen hat Lumas im Programm, allerdings nicht als Vintage-Prints, sondern als Modern Prints, mithin von den restaurierten Vorlagen neu abgezogene Bilder.

Editionen könnten wie Multiples ein Einstieg für Sammler sein. Doch langfristige Preisentwicklungen erwartet Simone Klein nicht von diesen Stücken. „Zudem ist der Schritt von der Edition zum teuren, unikaten Kunstobjekt oder zum Vintage-Print groß, und gerade in der Fotografie bedarf es eines großen Wissens, um die Mechanismen und Abstufungen von Bezeichnungen wie Vintage, Later Print, Modern Print/Estate Print, Auflage und Edition zu verstehen.“ Für Hendrik Berinson sind Editionsgalerien lediglich „bessere Postershops“. Denn: „So viel gute Kunst kann es gar nicht geben, wie da verkauft wird. Und es gehört zur Kunst des Sammelns, sich die wenigen guten Sachen herauszusuchen.“ Da liegt die Leidenschaft für die Kunst ganz nah an der Liebe: Sie will das Einzigartige. Vielleicht hat ja doch der Valentinstag die Käufer von New York beflügelt.

Daniel Völzke

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