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Polidori

© Kai-Uwe Heinrich

Robert Polidori: "Ich hätte ein Stück vom Palast stehen gelassen"

Robert Polidori spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über renovierte Geschichte, auch in Berlins Mitte, und über seine Kreml-Fotografien in der Galerie Camera Work.

Herr Polidori, In Ihrer neuen Ausstellung zeigen Sie Bilder aus dem Moskauer Kreml. War es schwierig, für die Aufnahmen eine Erlaubnis zu bekommen?

Geld bringt Sie in Russland überall hin. Aber ich hatte nur fünf Stunden Zeit. Zudem wird man dort nur in bestimmte Räume gebracht, die für Zeremonien genutzt werden und gerade restauriert wurden. Eigentlich hätte ich gerne Räume fotografiert, wo wirklich gearbeitet wird.

2001 wurden Sie berühmt mit Bildern aus der Sperrzone von Tschernobyl. Die Reaktorkatastrophe war die große Niederlage der Sowjetunion, manche sagen sogar, einer ihrer Sargnägel. Jetzt fotografieren Sie das Innere des Kreml: glänzende Kronleuchter, Marmor, Symbole von Ruhm und neuer Macht…

Ich liebe es, Räume zu fotografieren, weil Räume bezeichnend sind für psychologische und soziologische Elemente. Die Sowjetunion von Tschernobyl und Russland heute – das sind zwei sehr verschiedene Länder. Die Räume des Kreml sind für mich wie Fantasy, sie sind ein Teil des neuen Russlands.

Aber es sieht doch genauso aus wie das alte Russland, also das vorrevolutionäre.

Die Räume sind eine Disneyland-Version des alten Russlands. Es gibt dieses Phänomen: Wenn man etwas zu vollkommen wiederherstellt, dann sieht es zu neu aus. Normalerweise habe ich bei meinen Fotos mehr Kontraste zwischen den unterschiedlichen Zeitachsen. Aber hier gibt es nur eine. Das Alte ist verschwunden. So etwas habe ich noch nie gesehen.

In Berlin wird immer wieder heftig um den Umgang mit historischer Bausubstanz gestritten. Der britische Architekt David Chipperfield erntete viel Kritik dafür, dass er bei der Renovierung des Neuen Museums die Spuren der Geschichte gut sichtbar beließ.

Das gefällt mir. Eine Renovierung sollte facettenreich sein, Hinweise geben auf die Geschichte. Wenn es Proteste dagegen gibt, dann deshalb, weil die Menschen ein Problem damit haben, an ihre Vergangenheit erinnert zu werden. In Berlin hätte ich auch ein Stück des Palastes der Republik stehen gelassen – und dann etwas darüber gebaut. Er ist ein Teil der Geschichte! Es gibt in der Geschichte keine per se guten oder schlechten Perioden. Ich versuche, historische Urteile außen vor zu lassen, aber wenigstens einen Rahmen zu schaffen, der Anhaltspunkte dafür gibt, was dort war. Im Kreml gab es fast keine Anhaltspunkte.

Seit 25 Jahren dokumentieren Sie mit Ihrer Kamera die Renovierungsarbeiten in Versailles. Wie geht man dort vor?

In den USA wird immer darüber geredet, wie schwierig es ist, die Golden Gate Bridge zu streichen. Die Luftverschmutzung in San Francisco ist so stark: Wenn sie auf der einen Seite angekommen sind, müssen Sie gleich wieder von vorne anfangen. Es wird ständig erneuert. Versailles ist ähnlich, aber komplexer. Nicht alles wird zur gleichen Zeit, und nicht alles nach der gleichen Epoche renoviert.

Was bedeutet es Ihrer Meinung nach, etwas zu restaurieren?

Das heißt nicht nur, etwas Altes neu zu machen. Es kommen immer politische Überlegungen ins Spiel. Manche Räume sahen ja über die Jahrhunderte ganz unterschiedlich aus. Einige dieser Versionen können Sie nicht restaurieren, ohne andere zu zerstören. Also müssen Sie eine Wahl treffen, die Ihre jeweilige psychologische und ideologische Verfassung offenbart. Ein Beispiel: Die Renovierung des Court Central wurde unter Mitterrand so renoviert wie zur Zeit von Ludwig XV. Mitterrand ist für mich eine ähnliche Figur wie Ludwig XV. Wird Sarkozy so renovieren, wie es zur Zeit von Napoleon oder Louis Philippe aussah?

Was war Ihr Ziel, als Sie mit dem Projekt anfingen?

Ich mag diese Idee von Einheit: ein Gebäude, eine Stadt, eine Nation. Ich mag Imperien. Die interessantesten Regierungssitze sind Versailles und der Kreml. Als ich mit Versailles anfing, hatte ich keine Ahnung, was rauskommen würde. 1988 wollte ich ein Buch daraus machen, aber ich hatte kein Geld. Das Buch sollte „Historischer Revisionismus gesehen durch die Renovierung eines Museums“ heißen. Kein einziger Pariser Herausgeber war interessiert. Sie wollten stattdessen ein schönes Kaffeetisch-Buch machen mit Bildern und Texten eines belesenen Akademikers. Das sei die richtige Kombination für ein Buch, das sich gut verkaufen würde. Also ließ ich mich darauf ein. Das Buch erschien 1991. Und jetzt, 2008, mache ich genau das Buch, das ich immer machen wollte. Es erscheint im Oktober oder November.

Man hat Ihnen das Fotografieren immer wieder erschwert. Besonders in Las Vegas.

Mit Regierungen kann man viel besser übereinkommen als mit Firmen. Las Vegas ist die politisch schwierigste Stadt für Fotografen. Alles gehört Konzernen, nur sehr wenig dort ist öffentlich. In Shanghai dagegen wollte ich die Zerstörung einiger Viertel dokumentieren. Ich hatte keine offizielle Erlaubnis, aber die Polizei war sehr nachsichtig. Ich habe in China fast alle Bilder gemacht, die ich machen wollte – in Las Vegas war es unmöglich.

Und das im Land der Freiheit.

Las Vegas ist kein Land der Freiheit. Es ist Land, das Konzernen gehört.

Das Gespräch führte Moritz Gathmann. Galerie Camera Work, Kantstraße 149, bis 13. 9., Di–Sa 11–18 Uhr

Robert Polidori, 58, ist einer der führenden Architekturfotografen. Seit 20 Jahren fotografiert er die Renovierung von Versailles. Berühmt wurde der Kanadier auch mit Bildern von Tschernobyl.

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