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Mensch-Maschinen-Dialog. Colin Hacklander und Fahranaz Hatam mit Musikapparaten von Gamut Inc.

© Mike Wolff

Robotermusik-Festival: Temblo hält den Takt

Das Duo Hatam & Hacklander komponieren Songs für Musikapparate. Jetzt treten sie bei der ersten internationalen Robotermusik-Konferenz „Wir sind die Roboter“ auf.

Die Roboter kommen. In der Industrie, in der Dienstleistungsbranche, kaum ein Bereich, in dem Roboter nicht bereits eine Rolle spielen oder in naher Zukunft spielen werden. Roboter werden uns pflegen, wenn wir alt sind – und wenn wir mal keine Lust darauf haben, mit dem Hund Gassi zu gehen, dann übernimmt selbst das irgendwann mal ein programmierter Blechgefährte.

Die Robotik, da sind sich die Zukunftsforscher einig, wird große gesellschaftliche Umbrüche mit sich bringen, bestimmte Berufe für immer verändern oder gar vernichten. Wenn alles schiefläuft bei der Koexistenz mit den Maschinen, so glauben manche, übernehmen die Roboter sogar irgendwann die Macht – und was dann mit uns Menschen geschieht, vermag niemand genau vorherzusagen.

Unerforschte musikalische Wege

Es ist auch viel Geraune dabei. Roboter dienen als Projektionsfläche für Wünsche und Ängste aller Art. Da passt es umso besser, wenn nun ein kleines Festival in Berlin mit dem programmatischen Titel „Wir sind die Roboter“ mal ganz handfest untersuchen will, was die Robotik gerade im Bereich der Klangerzeugung bereits heute zu bieten hat. Speziell in Berlin ist Robotik momentan ohnehin schon ein kleiner Trend. Unter Musikern werden die Maschinen ganz offensichtlich noch nicht als die Konkurrenten von morgen angesehen, sondern als Möglichkeit, neue, noch weitgehend unerforschte musikalische Wege gehen zu können. Das Elektronikduo Mouse On Mars etwa arbeitet immer wieder mit Musikrobotern und ausgerechnet auf der neuen Platte des Berliner Bossa-Nova-Duos Telebossa kommt ein Roboterpiano mit dem Namen „Der Automat“ zum Einsatz. Das Berliner Metaltrio Compressorhead – drei headbangende Schrottskulpturen, die Motörhead und Ähnliches spielen – hat es inzwischen sogar zum weltweiten Youtube-Hype gebracht, dank einem Schlagzeugroboter mit vier Armen und einem Gitarristen mit über 70 Fingern.

Die erste große Robotermusik-Konferenz

Das Berliner Duo Gamut Inc, das schon seit einigen Jahren Musikroboter entwirft, lädt somit passend zur neuen Roboterbegeisterung auch in der Berliner Musikwelt gemeinsam mit seinen Kokuratoren Fahranaz Hatum und Colin Hacklander zur weltweit ersten internationalen Robotermusik-Konferenz dieser Größenordnung. Drei Tage lang werden von internationalen Künstlern und Musikern, darunter Größen der experimentellen Musik wie Rhys Chatham und Marcus Schmickler, in der Musikbrauerei Kompositionen für Roboter aufgeführt und auf mehreren Panels diskutiert.

Fahranaz Hatum und Colin Hacklander, die beiden Kokuratoren des Festivals und selbst teilnehmende Musiker, wirken ein paar Wochen vor ihrem geplanten Roboterkonzert in der Musikbrauerei ziemlich entspannt, gleichzeitig aber auch ein wenig aufgeregt. Die im belgischen Gent beheimateten Roboter, die sie bei ihrem Auftritt in Berlin bedienen und über Computersoftware steuern werden, kennen sie bereits in- und auswendig, aber live gesehen haben sie diese noch nicht. Sie haben Kompositionen für die Geräte geschrieben, und durch Musikfile-Austausch via Internet konnten sie bereits nachvollziehen, was die Maschinen auf ihr Kommando aus der Ferne hinklöppelten, aber der direkte Austausch mit den teils ulkig aussehenden Geräten fehlte noch. Nun, kurz vor ihrem Auftritt in Berlin, werden sie endlich ihr erstes persönliches Treffen mit den Robotern nachgeholt haben. In Gent haben sie sich gemeinsam auf den Berliner Auftritt vorbereitet.

Roboter können Instrumente spielen, wie es der Mensch nicht kann

Die Logos Foundation wurde bereits 1986 gegründet und hat eine einzigartige Sammlung von Musikmaschinen aufgebaut. Darunter die Percussion-Roboter Troms, Temblo und Psch, mit denen Hatam & Hacklander zusammenarbeiten. Die Geräte können wirklich einiges. Bei Temblo etwa, einem über den Computer ansteuerbaren Bausatz aus zwölf perkussiven Klangblöcken, die in ihren herkömmlichen Formen vor allem in China bei Zeremonien und Ritualen gespielt werden, können je nach Lust und Laune sämtliche Blöcke auch gleichzeitig zum Klingen gebracht werden. Dazu wäre ein Mensch allein gar nicht in der Lage. „Die Roboter können einfach Dinge in einer Art spielen, wie es der Mensch nicht kann“, sagt Fahranaz Hatum.

Deswegen reicht es ihr und ihrem musikalischen Partner auch, sich auf lediglich drei Geräte aus dem riesigen Arsenal der Logos Foundation zu beschränken. Die Klänge von Troms, Temblo und Psch werden mithilfe des Rechners und per Menschenhand manipuliert. Wobei die drei Maschinen dank ihrer Leistungstärke das Klangspektrum eines ganzen Percussion-Orchesters bieten.

Völlig neue Musikwelten mit Maschinen

Colin Hacklander und Farahnaz Hatum, die beide auch als Künstler und als Musiker ganz ohne helfende Roboter tätig sind und gemeinsam bis zur Schließung den Neuköllner Spielort für experimentelle Musik, NK, leiteten, machen aber deutlich, dass sie nicht nur rein klangästhetisch an Musikrobotern interessiert sind, sondern auch philosophisch. Hacklander betont etwa, dass er vor allem die Interaktion zwischen Mensch und Maschine spannend finde, auch weil er die zunehmende Auflösung der Grenzen zwischen Maschine und Mensch beobachte. „Roboter sind nicht mehr nur die Maschinen, die für die Menschen die unbeliebten Jobs erledigen, sondern sie haben ein viel höheres Ansehen als noch vor ein paar Jahren“, sagt er.

Die Mensch-Maschine, der Cyborg, dem man früher vor allem in Science- Fiction-Filmen wie „Bladerunner“, „Alien“ oder „Terminator“ sowie bei Kraftwerk oder in den Theorien teils durchgeknallt klingender Philosophen begegnete, wird auch für ihn, immer greifbarer. „In spätestens zehn Jahren wird die Arbeit mit Musikrobotern ganz normal sein“, glaubt Colin Hacklander. Vielleicht fangen bis dahin ja auch schon die ersten dieser Maschinen an, ganz eigenständig völlig neuartige Musikwelten zu entwerfen. Noch ist das Zukunftsmusik, auf die das Festival „Wir sind die Roboter“ schon mal einen kleinen Vorgeschmack gibt.

Musikbrauerei, Greifswalder Straße, Do 29.9. bis Sa 1.10. Hatam & Hacklander spielen am 29.9., 21.30 Uhr

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