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Die Musiker präsentieren sich als Vertreter der drei großen Religionen des Nahen Ostens.

© http://orphaned-land.com

Rockband Orphaned Land: Israels letzte Botschafter in der Türkei

Die Mitglieder der israelischen Rockband Orhpaned Land haben Antrag auf Einbürgerung in der Türkei gestellt. Sie sehen diese Geste als "Symbol des Friedens" , mit dem sie die beiden verfeindeten Länder wieder zusammen bringen wollen.

Es steht nicht gut um die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel. Ankara hat den israelischen Botschafter aus dem Land geworfen, die israelische Regierung schimpft über die angeblichen Islamisten in der türkischen Hauptstadt. Doch außerhalb der Politik wurden nicht alle Brücken abgebrochen – türkisch-israelische Annäherungen spielen sich in Bereichen ab, in denen man das nicht unbedingt erwarten würde. So erhielten die türkischen Behörden jetzt Einbürgerungsanträge von einer Gruppe jüdischer Musiker aus Israel: Die Mitglieder der Rockband Orhpaned Land (Verwaistes Land) wollen Türken werden. Die Entscheidung soll in wenigen Wochen fallen.

Nun ist Orphaned Land keine gewöhnliche Metal-Band mit Leder, Ketten oder Satansbeschwörungen. Auf Fotos präsentieren sich die Musiker als Vertreter der drei großen Religionen des Nahen Ostens: Juden, Muslime und Christen – Sänger Kobi Farhi lässt sich häufig in Jesus-Pose abbilden. Die Musik verbindet Heavy Metal mit nahöstlicher Arabesk-Musik. Und das ist einer der Gründe dafür, dass Orphaned Land in der Türkei so beliebt ist. Seit mehr als zehn Jahren treten die Israelis in der Türkei auf, und sie werden von den Fans am Bosporus inzwischen mit dem Ruf “Willkommen zu Hause, Brüder“ begrüßt.

Vor dem ersten Auftritt in der Türkei habe es in den Familien der Bandmitglieder warnende Stimmen gegeben, erinnert sich Farhi. Damals hätten einige Verwandte bezweifelt, dass es eine gute Idee sei, als Juden in die muslimische Türkei zu reisen. Doch inzwischen habe die Band mehr als 20 Shows in der Türkei absolviert, ohne dass sie auch nur ein einziges Mal angefeindet worden sei, sagte Farhi in einem per Mail geführten Interview mit unserer Zeitung. „Die Türkei ist unsere zweite Heimat.“

Ohnehin seien sich die beiden Länder sehr ähnlich: Beides seien säkuläre Republiken mit langen und starken Traditionen. In diesen Traditionen sieht Farhi den Grund für die Popularität seiner Band in der Türkei. Orphaned Land sei die erste Metal-Band, die nahöstliche Arabesk-Motive sehr stark in die aus dem Westen kommende Hardrock-Muster eingeflochten habe. „Die Türken lieben orientalische Klänge, und wir auch.“

Wenn die israelischen Band-Mitglieder nun türkische Staatsbürger werden könnten, dann sei das ein „Symbol des Friedens“, meint Farhi. Im Video-Clip eines Auftritts seiner Band formuliert es der Sänger so: „Musik ist die beste Religion der Welt.“

Mit den Einbürgerungsanträgen macht die Band auf sich aufmerksam, aber Sänger Farhi betont, dass mehr dahintersteckt als eine bloße PR-Aktion. „Die Türkei ist ein magisches, wunderbares Land, und ich kann mir sehr gut vorstellen, hier zu leben“, antwortete er auf die Frage, warum die Band türkische Pässe beantragt hat. Er fühle, dass „ein Türke in mir steckt“.

Bei aller Völkerverständigung lässt sich die Politik aber nicht ganz ausblenden. Die Türkei und Israel waren lange enge Partner, und die muslimische Türkei ist noch heute stolz darauf, dass die osmanischen Sultane den vor der spanischen Inquisition fliehenden Juden im 15. Jahrhundert eine neue Heimat am Bosporus boten. Seit Jahren werden die Beziehungen jedoch von einem Dauerstreit überschattet. Die Krise begann mit dem israelischen Feldzug in Gaza im Dezember 2008, der aus Sicht der islamisch-konservativen Regierung in Ankara ein Verbrechen an Zivilisten war.

Die Lage in Gaza war auch Hintergrund für eine weitere Eskalation: Im Mai 2010 erschossen israelische Soldaten neun türkische Aktivisten an Bord des Schiffes „Mavi Marmara“, das Hilfsgüter nach Gaza bringen sollte. Seitdem liegen die politischen Beziehungen auf Eis. Die Türkei verlangt von Israel eine Entschuldigung für den Angriff auf die Gaza-Flotte und Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer. Israel lehnt die Forderungen ab, weil es die Mission der „Mavi Marmara“ als islamistisch motivierte Propaganda-Aktion sieht.

Der Streit um die „Mavi Marmara“ zeige, „wie schnell eine Freundschaft zerstört werden kann und wie schwer es ist, sie wieder aufzubauen“, meint Sänger Farhi. Als israelische Freunde der Türkei könnten die Musiker von „Orphaned Land“ die Standpunkte beider Seiten verstehen. „In gewisser Hinsicht sind wir im Moment die einzigen israelischen Botschafter in der Türkei.“

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