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Der 1953 geborene Haitianer Dany Laferrière ist heute zwischen Québec zu Hause.

© Wunderhorn Verlag

Roman von Dany Laferrière: Potenzposen und Selbstreflexion

Da bleibt kein Hautfarben-Stereotyp intakt: Mit 32 Jahren Verspätung erscheint Dany Laferrières Debütroman auf Deutsch.

Von Gregor Dotzauer

Dieser Roman ist mindestens zwei Romane. Einer unter dem vorliegenden Titel „Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben ohne zu ermüden“. Und einer, der er unter dem Titel „Paradies eines Aufreißers“ gern geworden wäre. So, wie der eine dem anderen bei der Entstehung zusieht, wie er die Potenzposen eines aus einem vagen Afrika stammenden Maulhelden verlängert, ins Lächerliche zieht oder ausstreicht, gelingt ihm jedenfalls etwas Drittes. Ein metafiktionales Pointenwunder, das erzählerisch in Stellung bringt, was in diskursiveren Zusammenhängen sofort Sexismus- und Rassismusbeauftragte aller Couleur auf die Palme bringen würde. Es geht um den unüberwindlichen Abgrund – und die unübersehbare Anziehungskraft – zwischen Schwarz und Weiß. Und es geht um die Konfrontation von „jüdisch-christlichem Westen“, wie ihn der namenlose Protagonist im kanadischen Montreal vorfindet, mit dem Islam: An den absurdesten Stellen hagelt es Koran-Zitate.

Der 1953 geborene Haitianer Dany Laferrière, der heute zwischen Québec zu Hause ist, wo er 1976 strandete, zwischen Miami und Paris, wo er seit 2013 Mitglied der Académie française ist, lässt in seinem auf Deutsch nun mit 32 Jahren Verspätung nachgereichten Debütroman kein Hautfarben-Stereotyp intakt. Das einzige, womit man sich abfinden muss, ist die die Tatsache, dass es ausschließlich um das Begehren zwischen schwarzen Männern und weißen Frauen geht: Wo diese, wie es einmal heißt, koloniale Sünden abbüßen, indem sie sich einer Leidenschaft hingeben, die ihnen die eigene Kultur verwehrt, ist es für jene der einzige Weg, an der Mehrheitsgesellschaft teilzunehmen. Sex ist hier reales Tauschmittel und die denkbar physischste Metapher.

Ein Meteorit aus ferner Zeit

Laferrières Vorbilder waren, was die stilistische Unverblümtheit angeht, im Jahr 1985 Charles Bukowski und Henry Miller. Von der selbstreflexiven Konstruktion her bewegt er sich eher in der Umgebung von Julio Cortázar oder Italo Calvino. Aber schon weil es sich bei ihm nicht eigentlich um einen Afrikaner handelt, darf man nichts für bare autobiografische Münze nehmen. Das versiffte Montrealer Zimmer, in dem er sich damals mit seiner Remington 22 aus dem Ghetto herauszuschreiben hoffte, mag so authentisch sein wie seine Liebe zum Jazz oder die Anbetung der Schauspielerin und Sängerin Carole Laure. Seine übrigen Frauen, brave Bürgerstöchter namens Miz Literatur, Miz Snob oder Miz Mystic, sind rein typologische Geschöpfe.

Drei Jahre nach seinem in Berlin mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichneten Haiti-Roman „Das Rätsel der Rückkehr“ und zwei Jahre nach seinem „Tagebuch eines Schriftstellers im Pyjama“, der schwerelosesten und profundesten Einführung in die Kunst des Lesens und Schreibens, die man sich denken kann, ist der Schriftsteller Dany Laferrière heute in vielem weiter. Nur die Gesellschaft, ist kaum einen Schritt vorangekommen. Dieser Meteorit aus ferner Zeit trifft sie im rechten Augenblick.

Dany Laferrière: Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben ohne zu ermüden. Roman. Aus dem Französischen von Beate Thill. Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2017. 144 S., 19,80 €.

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