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Kultur: Romy Haag: Alle Engel sind blond

Als die Geige gegen die Gitarre ausgetauscht wird, kocht der Saal: Die überwiegend schwule Berliner Fangemeinde begrüßt seine Diva Romy Haag in heimischen Gefilden. Die betritt im knallengen, zur roten Haarpracht passenden Kleid mit Rosenapplikationen die Bühne und ist gleich ganz in ihrem Element: "Weil ich nicht wie die O-o-o-nderen bin, bleib ich vielleicht mal allein", singt sie mit nasalem Einschlag im vollbesetzten BKA-Luftschloss.

Als die Geige gegen die Gitarre ausgetauscht wird, kocht der Saal: Die überwiegend schwule Berliner Fangemeinde begrüßt seine Diva Romy Haag in heimischen Gefilden. Die betritt im knallengen, zur roten Haarpracht passenden Kleid mit Rosenapplikationen die Bühne und ist gleich ganz in ihrem Element: "Weil ich nicht wie die O-o-o-nderen bin, bleib ich vielleicht mal allein", singt sie mit nasalem Einschlag im vollbesetzten BKA-Luftschloss. Die Diseuse gibt ihrem Publikum, wonach es verlangt: klassische Chansons und Balladen, eigene Kompositionen und Rocksongs. Ihre Interpretationen sind ironisch und sentimental, kritisch und schwärmerisch - und erzählen immer Geschichten. Von ihrer Großmutter zum Beispiel, die sich mit 70 in einen 30 Jahre jüngeren Mann verliebte und so die gesamte Verwandtschaft um die Erbschaft brachte. Oder von einer Argentinierin, Mutter von vier schwulen Söhnen, die in die Kirche geht und fragt: "Warum gibt es nur blauäugige und blonde und keine schwulen, farbigen und lesbischen Engel?" Lasziv räkelt sich Romy auf dem Flügel und haucht den spanischen Song ins Mikro. Viele der "Balladen für Huren und Engel" sind Minderheiten gewidmet: den Prostituierten in der Oranienburger Straße oder der berühmtesten Nutte der Republik, Domenica. An Klavier, Gitarre, Geige und Schlagzeug sorgt ihre Band bei Klassikern von Brecht, Brel oder der Leander, aber auch bei Stücken von der jungen Berliner Band Zimtfisch für eine Begleitung, die den vielen Gesichtern der Haag gerecht wird: Stark und zerbrechlich wirkt sie, in der Diva steckt noch immer ein kleines Mädchen. Am Ende singt sie die Ballade von der "Blauen Gitarre": Sie erzählt von den Narben der Kindheit, die auch dann noch schmerzen, wenn die Wunden längst verheilt sind.

Denise Dismer

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