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Im 3-Sat-Studio beim Bachmann-Preis.

© picture-alliance/dpa

Ronja von Rönne und der Hype um sie: Hauptsache, es kesselt wieder

Crazy wie zu Zeiten eines Lebert oder einer Hegemann: An Ronja von Rönne kommt gerade niemand vorbei, nicht in den Medien, nicht im Literaturbetrieb.

Neulich erklärte Ronja von Rönne in ihrem Sudelhefte-Blog, warum sie so „wütende Texte“ schreibe. Irgendwas war da in ihrer Kindheit – was wirklich war, sagte sie nicht –, aber immerhin „ein leeres Zimmer in Oberbayern, in dem tausend AOL-CDs und eine Zahnspangendose lagen“. Klein-Ronja wollte dann immer mehr und noch mehr AOL-CDs haben, was ihre Mutter bald nicht mehr so gut fand. Die Mutter warf sie schließlich alle weg, was wiederum Ronja nicht gut fand: Sie zog aus. Und so antwortete die große Ronja einmal auf die Frage einer Reporterin, woher denn die Wut in ihren Texten käme: „Meine Mutter hat meine Reklame-CDs weggeworfen.“

Eine schöne, lustige Geschichte. Obwohl nun der eine oder die andere fragen mag: Warum steht sie hier? Und: Ronja von Rönne? Sudelhefte? Wer ist diese Frau überhaupt? Was soll das alles? Menschen, die das fragen, kann man eigentlich nur beglückwünschen, für ihre gesunde Ignoranz, für ihre Standfestigkeit, nicht jedem Hype aufzusitzen.

Ob sich für Ronja von Rönne auch noch jemand interessiert, wenn 2016 ihr Roman erscheint?

Denn in den Medien, speziell im Feuilleton und noch spezieller in der Online-Community, kommt man an der 23 Jahre alten Autorin und „Welt“–Redakteurin Ronja von Rönne um fast nichts in der Welt mehr vorbei. Spätestens seit ihrer vermeintlichen Feminismus-Attacke in ihrer Zeitung, überschrieben mit „Warum mich der Feminismus anekelt“, die sich letztendlich gleichermaßen an einer pseudo-wütenden Modifizierung von Feminismus, Postfeminismus und Antifeminismus versuchte, aber auch Beifall von falschen Seiten bekam, etwa einem NPD-Frauenbund, inklusive eines sich daran anschließenden Shitstorms im Netz. Allerspätestens aber, seitdem nun der „Spiegel“ sich mit von Rönne getroffen hat und unter dem männlich verniedlichenden, sie zur Lolita stilisierenden Titel „Schmollmundfatalismus“ weiß, dass Ronja von Rönne mit ihren jungen Jahren „schon jetzt ganz Berlin-Mitte verrückt“ mache. Immerhin nur Berlin-Mitte, mag man denken, das ist nicht besonders groß und lange nicht mehr so der letzte Schrei, aber egal.

Erst war Benjamin Lebert, dann Helene Hegemann, jetzt von Rönne

Der „Spiegel“ hat natürlich einen Aufhänger, nämlich der am Mittwoch in Klagenfurt beginnende Ingeborg-BachmannWettbewerb. Dort ist von Rönne nominiert worden, zielsicher ausgewählt vom Jury-Vorsitzenden Hubert Winkels, was den Hype um sie noch einmal steigern dürfte. Gleichzeitig beschert die Autorin dem Bachmann-Wettbewerb endlich mal wieder eine Attraktion – so viel Trubel um eine Teilnehmerin oder einen Teilnehmer gab es in dessen Vorfeld lange nicht mehr. Und schon erinnert man sich an die Auftritte der Jörg Fausers (missmutig schweigend), Hermann Burgers (ausfallend) oder Rainald Goetz (sich in die Stirn schneidend) und fragt sich, ob mit Ronja von Rönne dieses Jahr mal wieder was geht in Klagenfurt. Rock? Glam? Riot-Girlism gar?

Die Erwartungen sind groß, was einem gleich wieder Sorgen bereitet – Vorsicht, altväterliches Bedenkenträgertum! –, man denke nur an die Hypes um Benjamin Lebert („Crazy“) und Helene Hegemann („Axolotl Roadkill“) , die noch jünger im Betrieb aufgetaucht sind und inzwischen mehr oder weniger unglamourös ihr Auskommen darin haben. Im Frühjahr 2016 soll beim Aufbau Verlag von Rönnes erster Roman erscheinen, und verglichen mit der Von-Rönne-Hochgeschwindigkeitskesselei der vergangenen Wochen ist es bis dahin eine Ewigkeit. Ob der Hype da noch anhält? Aber vielleicht reicht für Ronja von Rönne ja erstmal eine ähnlich hübsche Sudel-, Kindheits- und AOL-CDs-Geschichte, um Klagenfurt im Sturm zu nehmen.

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