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Kultur: Rot-Grün und die PDS: Zu grün

"Die spinnen, die Berliner", stöhnte 1994 der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer, als seine Berliner Parteifreunde Willi Brüggen, Jochen Esser und Andreas Schulze laut über ein PDS-Bündnis nachdachten. Da gebe es für die Grünen "nichts, aber auch gar nichts zu gewinnen", schloss Fischer für die Bundesebene eine Kooperation mit den Sozialisten entschieden aus.

Von Sabine Beikler

"Die spinnen, die Berliner", stöhnte 1994 der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer, als seine Berliner Parteifreunde Willi Brüggen, Jochen Esser und Andreas Schulze laut über ein PDS-Bündnis nachdachten. Da gebe es für die Grünen "nichts, aber auch gar nichts zu gewinnen", schloss Fischer für die Bundesebene eine Kooperation mit den Sozialisten entschieden aus. Auch wenn er das Magedeburger Modell ausdrücklich unterstützte.

Das Grünen-Trio rüttelte mit einem Papier an einem bis dahin auch für den linken Berliner Landesverband geltenen Tabu. "Grüne Thesen zum Umgang mit der PDS. Für einen reformpolitischen Neuanfang in Berlin. Die PDS in die Regierung" hieß das Strategiepapier. Brüggen, Esser und Schulze stellten damals fest, die Große Koalition müsse "so schnell wie möglich weg". Rot-grüne Mehrheiten seien aber nicht in Sicht, deshalb sei das Nachdenken über eine Regierungszusammenarbeit mit der PDS unumgänglich. "Wir müssen in den sauren Apfel beißen und von der PDS den Eintritt in die Regierung verlangen." Dieses Reformprojekt war selbst für die Berliner Delegierten zu revolutionär - und wurde abgelehnt.

Geschickt drückte sich die Partei 1999, das Wahljahr zum Berliner Abgeordnetenhaus, um die PDS-Diskussion herum. Als die Berliner Bündnisgrünen im März 1999 ihr Wahlprogramm verabschiedeten, schlossen sie einen "Verhandlungsauftrag für eine Koalition oder eine Tolerierung" mit folgender Begründung aus: Erstens stagniere die kritische Auseinandersetzung der PDS mit ihrer Geschichte. Zweitens stünde man für die Bildung eines rot-grünen Senats bereit. Und mit der SPD wollten die Grünen es sich damals nicht verscherzen. "Schon wegen der von uns zur Kenntnis genommenen Haltung der SPD und ihres Spitzenkandidaten Walter Momper" werde es zu keiner PDS-Koalition oder Tolerierung kommen.

Zwei Jahre später zu Beginn der Berliner CDU-Spendenaffäre verabschiedeten die Berliner Grünen auf einer Landesdelegiertenkonferenz im Februar eine Resolution, in der sie einen politischen Neuanfang forderten - und erstmalig PDS und SPD Gespräche über eine Regierungsbildung anboten. Kritische Stimmen wurden damals nicht laut.

Was war passiert? Die Grünen schwenkten um zur Realpolitik, der PDS-Ablehnung folgte eine kühle Kosten-Nutzen-Rechnung. Eine Mehrheit Rot-Grün bei Neuwahlen ist eher unwahrscheinlich, deshalb hat sich die Partei für eine rot-rot-grüne Option geöffnet. Auch wenn viele Grüne noch ein Unbehagen verspüren, dass die PDS-Spitze mit Gregor Gysi oder dem Berliner PDS-Fraktionschef Harald Wolf noch weit entfernt von der Basis mit ihrer "Wohngebietsmentalität", so ein Grünen-Mitglied, sind. Dass sich die Berliner PDS in der vergangenen Woche für Rot-Rot ausgesprochen hat, lässt die Grünen milde lächeln. "Hochmut kommt vor dem Fall", heißt es. Damit schade sich die PDS selbst und bringe den Grünen Wählerstimmen. Die spinnen, die Grünen. Würde Joschka Fischer wohl dazu sagen.

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