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Kultur: Rucksack voller Erinnerungen

Toula Limnaios tanzt ihr Solo „The rest of me“.

Von Sandra Luzina

Seit ihrem Solo „Vertige“, in dem sie sich in einen wilden Taumel katapultierte, kennt man Toula Limnaios als ausdrucksstarke Tänzerin. Eine Grenzgängerin zwischen Tag und Traum, Wahn und Wirklichkeit. Nun bietet sich endlich wieder die Gelegenheit, die Choreografin selbst tanzen zu sehen. Ihren Soloabend in der Halle Tanzbühne Berlin hat sie „The rest of me“ betitelt, was nicht bedeutet, dass der Abend auf Sparflamme köchelt. Limnaios variiert hier die Themen und Techniken, die man auch aus den Arbeiten für ihre Company kennt, und verleiht ihnen eine schmerzliche Intensität.

Anfangs sitzt die Griechin am Rand der Bühne in einem japanischen Gewand, ihr Kopf ist mit roten Wollfäden umwickelt. Eine surreales Bild. Hektisch beginnt sie, den Faden aufzuspulen, ihr Gesicht zu enthüllen. Es wirkt wie eine symbolische Geburt. Wenn sie den Faden dann im Raum auslegt, erinnert sie an die Ariadne aus der griechischen Mythologie. Es ist das Labyrinth der Seele, in das sich Toula Limnaios hineintastet. Die Ungeheuer lauern im Inneren.

Limnaios skizziert Etappen eines Lebenslaufs. Der rote Faden ist die Suche nach sich selbst, Irrwege eingeschlossen. Mit übergroßem Rucksack stürmt die 48-Jährige nach vorn, voller Elan, doch das Gepäck zieht sie zu Boden. Immer wieder kippt sie nach hinten, rappelt sich auf.

Später kramt sie aus dem Rucksack mörderische High Heels, stöckelt und schwankt über die Bühne, versucht sich in verführerischen Posen. Dabei zeigt sie vor allem die Anstrengung, die es kostet, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. In den Videos des Künstlers Cyan, die wie immer großartig sind, sieht man den Gegenentwurf. In einem rosa Kleid läuft Limnaios durch einen Wald, ihr Körper bebt und bäumt sich auf: Traumbilder einer ungezähmten Weiblichkeit. Natürlich erinnert das stark an Pina Bausch, die ebenfalls die Einschnürungen durch Konventionen thematisierte.

Es sind dann die aufgeschreckten Vögel aus Hitchcocks Film „The Birds“, die das Video zitiert. Aus dem Schwarm wird eine dunkle Wolke, die fortwährend ihre Gestalt ändert. Von einer Bedrohung erzählen diese Bilder, für die die Tänzerin allerdings keine rechte Entsprechung findet, obwohl auch sie wie ein panisch flatterndes Vögelchen wirkt. Es ist erstaunlich, wie diese zierliche Frau dann alle Energie zusammenballt, um sich zu befreien aus dem Strudel der Emotionen.

Toula Limnaios zieht nicht Bilanz, sie zeigt eine Suchbewegung. Ein Unterwegssein zu sich selbst. Sie hat sich ihre Widerspenstigkeit bewahrt. Sandra Luzina

Wieder am heutigen Sonntag sowie vom 15. bis 17.3., 20 Uhr

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