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Kultur: Rückblick: Lesung

Nach einer knappen Stunde ordnet Carl Weissner seine Blättersammlung, steht auf und sagt: "Thank you, good night." Wer jetzt auf die in verschiedenen Medien angekündigte Multimediashow wartet, wird enttäuscht.

Nach einer knappen Stunde ordnet Carl Weissner seine Blättersammlung, steht auf und sagt: "Thank you, good night." Wer jetzt auf die in verschiedenen Medien angekündigte Multimediashow wartet, wird enttäuscht. Licht an und Bier trinken. Reichlich wenig für einen Burroughs-Abend im Roten Salon der Volksbühne. Und so zankt man sich zum Ausklang noch mit den Veranstaltern um die zwanzig Mark Eintrittsgeld - berechtigterweise, wenn man bedenkt, dass Weissner, der viel gepriesene Übersetzer und Freund des Beat-Literaten, weder Korrespondenz noch biografisches Material vorgetragen hatte, sondern lediglich Fragmente eines von Burroughs nie vollendeten Romans. Außerdem hat Weissner die Angewohnheit, beim Lesen Kaugummi zu kauen, weshalb einem nicht immer klar wird, um was es geht. Das ist den Burroughs-Fans allerdings weniger wichtig. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Salon findet man Weissners Beatnick-Lässigkeit cool und prustet los, wenn der Übersetzer raunt: "Der Fremde macht sich allmählich unbeliebt." Ein Satz aus dem Western, den Burroughs immer schreiben wollte. Keinen gewöhnlichen Western, wie sich versteht, sondern einen, in dem sich außerirdische Schwule unentwegt die Silber glänzenden Ärsche penetrieren. Sittenbullen werden abgeknallt, während das Glied synchron im After zuckt. "Die Rauh Reiter Schwuchteln" sollte das Werk heißen: zusammengesetzte Szenen, die keine Zusammenhänge ergeben, inspiriert von Drogen und voller Verachtung über die Prüderie der sechziger Jahre. Da versteht man dann auch wieder, warum der Autor von Naked Lunch immer noch Kult ist. Und warum man im Roten Salon so ungestraft zu Butterfahrt mit Burroughs einladen kann.

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