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Kultur: Rush

Diese Woche auf Platz 76 mit: „Snakes & Arrows“

Letzte Woche sah es aus, als wäre Deutschland im Begriff, sich als exterritoriale Provinz dem Bundesstaat Kanada anzuschließen. Michael Bublé, Nelly Furtado und Avril Lavigne besetzten die vorderen Plätze der Albumcharts. Die Lage hat sich normalisiert, wenngleich die drei weiterhin die Top 5 beherrschen. Auch die mittleren Ränge sind kanadophil gestimmt. Die Musik von Leslie Feist (Platz 11) oder der Punkband Billy Talent (47) geht den Deutschen runter wie Ahornsirup.

Die Gründe dafür, dass dieses rundum nette Land große Musiker in noch größerer Zahl hervorbringt, sind noch unerforscht. Neben üblichen Verdächtigen wie Céline Dion, Leonard Cohen, Oscar Peterson, Paul Anka, Joni Mitchell oder Alanis Morisette sind es vielleicht auch Berlin-Residenten wie Peaches oder Gonzales, die unser Kanadabild prägen. Jedenfalls geht die Sympathie so weit, dass nun sogar das langhaarige Gespenst des Progressive Rock an die Tür klopfen darf. In Gestalt von Saga, die es letzte Woche auf Platz 97 schafften – oder eben in Gestalt der rüstigen Herren von Rush.

Seit 1968 tun Geddy Lee, Alex Lifeson und der später hinzugekommene Neil Peart nun schon Dienst an Bass, Gitarre und Schlagzeug. Zwischendurch gab es heftige Keyboard-Phasen, in denen Lee mithilfe selbstgebauter Konstruktionen zugleich Bass und Synthies bearbeitete. Mittlerweile werden wieder stramm die Saiten geschrubbt. Die Stücke bleiben unterhalb der 20 Minuten, aber sie sind, wie zu besten Zeiten, zusammengesetzt aus unendlich vielen gniedeligen Parts und Breaks. Man kann sagen: Rush haben jetzt fast 40 Jahre unbehelligt durchgegniedelt. Wir werden also nicht wie das Fantasy-Volk auf dem 76er-Rush-Album „2112“ von seltsamen Priestern beherrscht, die Gitarren verbieten und zerstören. Weder in Kanada noch sonstwo auf der Welt.

Ralph Geisenhanslüke

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