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Neue Perspektiven. Die 34-jährige Sängerin Ofri Brin, geboren auf den Golan-Höhen, wohnt in Pankow.

© Chen Tamari/Promo

Sängerin Ofri Brin: Die Frau, die vom Himmel fiel

Früher war Ofrin eine Akustik-Combo. Jetzt hat die Sängerin Ofri Brin aus Israel daraus ein elektronisches Soloprojekt gemacht. Bei einem Treffen in Berlin erzählt sie davon.

Zum Treffen in ihrem Pankower Lieblingscafé erscheint Ofri Brin mit ihrer kleinen Tochter. Der Babysitter ist abgesprungen. Die Musikerin ist seit Kurzem alleinerziehende Mutter, die letzte Beziehung ist gerade erst in die Brüche gegangen, da muss sie schon mal improvisieren. Allerdings macht es die reizende Tochter ihr ziemlich leicht und gibt während des gesamten Gesprächs kaum einen Mucks von sich.

Alles ist nun anders im Leben der vor zwölf Jahren nach Berlin gezogenen Israelin. Dazu passt auch ihr neues, nunmehr viertes Album mit dem Titel „Ore“, mit dem sie sich musikalisch einschneidend neu orientiert. Aus der ehemaligen Jazzsängerin mit Ausdrucksstimme ist eine somnambule Elektronikmusikerin geworden. Womit die 34-Jährige, die hervorragend Deutsch spricht und erklärt, dass sie all die Fragen, wie es denn so sei als Israelin in Deutschland, nicht mehr hören kann, nun wohl endgültig in der Technostadt Berlin angekommen ist.

Dabei war es tatsächlich der Jazz, der sie dazu bewog, bereits mit 17 Jahren die Golan-Höhen an der Grenze zu Syrien, wo sie aufgewachsen ist, in Richtung New York zu verlassen. Dort durfte sie einige Male auftreten, was für sie so etwas wie ein Ritterschlag war. Der Liebe wegen ging es dann über Umwege und nach dem obligatorischen Militärdienst in Israel weiter nach Berlin, wo sie gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten, ebenfalls Israeli, die Band Ofrin gründete. Sie trat vor allem in Jazzetablissements wie dem A-Trane oder dem B-Flat auf. Zu Beginn war ihre Band eher ein Duo, er spielte Gitarre, sie sang. Irgendwann kamen vor allem für Auftritte weitere Musiker hinzu. Ofrin waren eine Akustik-Combo. Die drei Platten, die die Gruppe herausbrachte, kann man gut durchhören, außergewöhnlich allerdings sind sie nicht.

Veränderung als Konstante

Nun jedoch „Ore“, ein kalt-warmes Elektronikalbum, auf dem über dezenten, aber ziemlich düsteren Klangschichten die Stimme Ofri Brins schwebt. Ofrin ist nun keine Band mehr, sondern ein Soloprojekt – ständige Veränderung scheint eine Konstante der israelischen Musikerin zu sein. Auf den ersten Blick wirkt auf „Ore“ die bisherige Geschichte von Ofrin wie ausradiert. Beim neuen Sound der Sängerin denkt man automatisch an einen schummrigen Club mit unverputzten Wänden. Produziert wurde das Album vom Berliner Marco Haas, der sich unter dem Namen T.Raumschmiere den Ruf erarbeitet hat, für richtig groben „Drecksau-Techno“ – so nennt Haas selbst seine eigene Musik – zuständig zu sein. Im letzten Jahr überraschte er allerdings mit einem Ambient-Album. Hauptsächlich arbeitet Haas inzwischen als Produzent für andere Musiker. Einen dezent wabernden, sphärischen, stets spannungsreichen Klangteppich hat er für Ofri Brin genäht, mit der er seit gut vier Jahren befreundet ist. „Dabei wussten wir beide anfangs überhaupt nicht, ob es passt mit uns“, sagt sie. Alles ging dann aber recht schnell, in drei Monaten war die Platte im Kasten. Die Musikerin ist mit dem Ergebnis zufrieden.

Ofri Brin spricht von Marco Haas und von der gemeinsamen Studioarbeit in den höchsten Tönen. Wobei sie dann doch später eine E-Mail hinterherschickt, in der sie erklärt, dass die eigentliche Arbeit an den Tracks von ihr selbst geleistet wurde und nicht von dem Mann hinter den Reglern. Das Gerüst ihrer Stücke habe sie daheim am Computer erarbeitet. „Ich habe vorproduziert, Marco hat den Rest erledigt.“ Es sei wichtig festzustellen, dass sie mehr sei als „eine Sängerin, die mit Produzenten“ arbeitet.

Ein letzter Gruß an David Bowie

Tatsächlich ist sie viel mehr als das. Ofri Brin ist sogar eine regelrechte Gesamtkunstwerkerin, die sich – ähnlich wie Björk, die sie sehr verehrt – bei den richtigen Leuten Hilfe holt, aber immer die Fäden in der Hand hält. Integraler Bestandteil von „Ore“ sind die Videoclips, die sie designt hat und die Teil ihrer multimedialen Live-Show sind. Auch das Konzept der Platte hat sie sich ausgedacht. Es wirkt ein wenig wie ein letzter Gruß an David Bowie, den Mann, der vom Himmel fiel. So wird in den Songs die Geschichte einer Frau aus dem All erzählt, die unversehens auf der unbewohnten Erde landet und sich dort zurechtfinden muss. Nicht nur physisch – die Reise auf dem unbekannten Planeten Erde wird für die Frau auch zu einem Selbstfindungstrip. Das Ganze sei zwar kein herkömmliches Konzeptalbum, erklärt Ofri Brin, aber doch mehr als die bloße Aneinanderreihung einzelner Stücke.

Die Frau von einem anderen Planeten, das Alien, das auch lernen muss, sich selbst zu verstehen und neu zu orientieren, ist natürlich niemand anderer als sie selbst, wie schon das Cover von „Ore“ nahelegt. Darauf ist Ofri Brin mit ihren knallroten Haaren unter dem Sternenhimmel zu sehen. Gerade auf einem kargen Fleckchen Erde gelandet, scheint sie sich erst mal vorsichtig voranzutasten. Das Foto, sagt die Künstlerin, sei auf den Golan-Höhen entstanden, wo Ofri Brin ja tatsächlich ihren Erstkontakt mit der Erde hatte.

Bei allem Erneuerungswillen erinnert vieles auf „Ore“ aber auch an den Trip Hop der neunziger Jahre, schon wegen des warmen Gesangs. Portishead, Tricky, „das ist die Musik, mit der ich aufgewachsen bin“, erklärt Ofri Brin. Trip-Hop-Musiker haben stets versucht, Jazzelemente aufzunehmen. Somit steht „Ore“ auch für eine gewisse Kontinuität. Der Jazz in fast schon ätherisch wirkender Form ist nun immer noch da, „auch wenn ich versucht habe, noch viel reduzierter zu klingen als im Trip Hop“. Wie aber die Reise der Frau vom anderen Stern weitergeht, ist offen. Vielleicht kommt von der Musikerin erneut etwas ganz anderes. Marco Haas, das immerhin ist sicher, wird ihr nächstes Album nicht produzieren.

Ofrin: „Ore“ erscheint bei Shitkatapult. Konzert am 8. Mai, 20 Uhr, im Roten Salon der Volksbühne

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