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Kultur: Sag Ja zum Ja

Den säkularisierten Berlinern ist der Sommer die vertrauteste Jahreszeit. Gerne feiern sie heidnische Freiluftfeste und -paraden, die jedes Jahr wiederkehren: Karneval der Kulturen, CSD, Love Parade, Classic Open Air, Heimatklänge.

Den säkularisierten Berlinern ist der Sommer die vertrauteste Jahreszeit. Gerne feiern sie heidnische Freiluftfeste und -paraden, die jedes Jahr wiederkehren: Karneval der Kulturen, CSD, Love Parade, Classic Open Air, Heimatklänge. Heimatklänge? Das älteste der rituellen Festivals hat sich derart verändert, dass sein Stammpublikum es kaum wiedererkennen wird. Aus den Heimatklängen sind „Heiratsklänge“ geworden. Die erste Saison im neuen Tempodrom am Anhalter Bahnhof widmet sich Hochzeitsorchestern aus aller Welt - mit dem albernen Aktualitätsbezug: „Wo Standesämter wieder Hochkonjunktur haben, sagen auch die Heimatklänge Ja zum Ja und zeigen, wie´s die anderen machen."

Bei der Themenwahl mag aber auch eine Rolle gespielt haben, dass die Veranstalter nach 14 länderzentrierten Konzertreihen den Eindruck hatten, der Planet sei abgegrast. Und es gab Zwänge, die mit der Verlegung in das Sichtbeton-Tipi am Anhalter Bahnhof einhergehen. Das riesige Kreuzberger Amphitheater mit dem Charme einer Mehrzweckhalle können keine FünfMann-Combos mehr füllen. Sie würden auf der weiten Rundbühne verloren wirken. Großensembles müssen her, deren statische Auftritte allerlei Showeinlagen auflockern sollen. Vor den Bands gastieren künftig Straßentheatertruppen, Live-Trauungen stellen Heiratswütige zur Schau, und auf dem „Ja-Markt“ kann sich der Besucher mit umsatzförderndem Merchandising-Klimbim ausstatten. Den Auftakt macht das Londoner Straßentheater Cocoloco, gefolgt von Frank London`s Klezmer Brass Allstars aus New York und dem Boban Markovic Orkestar aus Ex-Jugoslawien. Weitere Höhepunkte versprechen die britisch-asiastischen Bhangra Meister Achanak (26. bis 28. Juli), das senegalesische Orchestra Baobab (2. bis 4. August) und der türkische Star-Klarinettist Hüsnu Senlendirici (9. bis 11. August).

Die Senatsfördergelder von rund 125 000 Euro decken nach Angaben der Veranstalter nur noch ein Drittel der Kosten. Deshalb haben sie das Angebot drastisch reduziert und verteuert: Statt sieben läuft das Festival nur noch vier Wochen und jede Gruppe spielt nur drei statt bisher fünf Mal. Dafür hat sich der Eintritt mehr als verdreifacht: Zehn anstelle von drei Euro. Von der „Umsonst und draußen“-Idee ist nicht mehr viel übrig, die Heimatklänge ähneln inzwischen eher den Spektakeln der Deutschen Entertainment AG . Oliver Heilwagen

Cocoloco, Frank London’s Klezmer Brass Allstars und das Boban Markovic Orkestar, Freitag und Samstag um 21.30 Uhr, Sonntag um 20 Uhr im Tempodrom. Das Heimatklänge-Festival dauert bis 11. August.

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