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Kultur: Sag mir, wo die Poster sind

Das Drama des Krieges ist immer neu – die Form des ästhetischen Widerspruchs auch. Ein Blick auf achtzig Jahre Plakate für den Frieden

Natürlich haben die Plakate alle eines gemeinsam: Sie sind plakativ, einseitig und platt. Aber was sollen sie auch sonst sein? Was vermag man in der einen Sekunde des Hinguckens, auf die ein Künstler hier allenfalls hoffen kann, zu sagen, außer: Krieg ist immer falsch und grausam. Was nur zur Hälfte stimmt. Grausam sind militärische Konflikte zwar immer, und seien sie noch so heilig oder richtig. Krieg immer falsch zu finden, das ist dagegen kaum möglich. jedenfalls nicht in einem Land, das durch den Einsatz der Alliierten im Zweiten Weltkrieg vom Faschismus befreit wurde. Insofern haben alle die Plakate etwas Schräges.

Außer das von Käthe Kollwitz, das von 1924 stammt. Sie meinte einen anderen Krieg, die große, sinnlose, imperiale Völkerschlacht des Weltkriegs, von dem man in den 20er Jahren noch nicht wissen konnte, dass er später der Erste genannt werden müsste. Kollwitz’ Plakat hat darum den großen Vorzug, rein zu sein in seiner Aussage, Pazifismus scheint möglich, ja unausweichlich. Doch fällt bei ihr noch etwas anderes auf. Der junge Friedenskämpfer, der da die Finger zum Himmel reckt, sieht zerrissen und abgerissen aus, halb verhungert und halb verzweifelt, zugleich entschlossen und in Angst. Aber jedenfalls nicht harmlos.

Die Inszenierung der Harmlosigkeit findet sich zuerst bei Pablo Picassos naturalistisch gezeichneter Taube. Das Körner pickende Tier, mit seinen tanzschuhhaften Federfüßen, seiner unbefleckten Weißheit, stellt den extremen Kontrapunkt dar zu den Menschen, die sich gegenseitig umbringen, massenhaft, maschinisiert.

Es blieb der Friedensbewegung der frühen 80er Jahre vorbehalten, diese demonstrative Harmlosigkeit auf sich selbst, auf die Akteure zu beziehen: Eine lustig-kindlich gezeichnete Frau kickt die Bombe weg, als wäre die ein Nivea-Ball. Picassos Taube nimmt sich dagegen wie eine diskrete Metapher aus. Und auch Kollwitz’ Hungerleider wirkt um so vieles ernster, dem Thema angemessener. Wenn man sich heute das Plakat von 1982 ansieht, so fällt einem sofort das Wort „Gutmensch“ ein. Selbst die Joseph-Beuys-Adaption der Grünen wirkt zunächst so. Doch wie bei Beuys unweigerlich, liegen tiefere, ironische Schichten unter dem ersten Blick: Der Hase ist größer als der Soldat, der Spielzeugsoldat.

Die zur Harmlosigkeitskultur passende Hymne der Friedensbewegung hieß damals übrigens: „Und sind wir schwach, und sind wir klein, wir wollen wie das Wasser sein.“ Nichts scheint darin mehr von der Erkenntnis durch, dass der Mensch das Böse, das Kriegerische in sich trägt. Es ging um totale Harmlosigkeit gegen die totale Vernichtung im Overkill.

Die Möglichkeit, dass Krieg und Rüstung leider auch ihren Sinn haben können, kommt darin nicht mehr vor, der Zweite Weltkrieg ist sozusagen eine Denk-Unmöglichkeit. Dazu passen die Plakate von Staeck und auch das gegen den ersten Golfkrieg. Wenn es vernünftige Motive der Rüstungs- und Kriegsbefürworter prinzipiell nicht geben kann, so bleiben nur: Dummheit wie bei dem dämlich dreinschauenden Soldaten, der sein Blut für Öl vergießen möchte. Oder Niedertracht wie bei den offenkundig geldgierigen Waffenhändlern auf Staecks Steckbrief-Plakat.

Interessanterweise drängt die Ästhetisierung der Anti-Kriegskunst später wie von selbst über diese Verkitschung und Vereinfachung hinaus. Der Junge mit den wegretuschierten Brustwarzen hinterlässt Irritation, die Benetton-Werbung mit der blutdurchtränkten Uniform des toten Soldaten, kann schon aufgrund ihres Werbecharakters die Attraktivität, die Krieg unglücklicherweise auch hat, nicht verbergen. Wie auch das Plakat „Error T“ mit seiner auf das Bild geschriebenen Aussage, dass Krieg Irrtum ist, an die wiederkehrenden, durchaus faszinierenden Fernsehbilder erinnert, die heute Kampfeinsätze begleiten.

Die Form hält die Vereinfachung des Inhalts offenbar nicht mehr aus und übersteigt ihn. Plötzlich ist das Bewusstsein vom kriegerischen Charakter des, aller Menschen wieder da – und davon, dass Krieg leider Sinn haben kann und sei es nur ästhetischen.

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