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Kultur: Salomons Blüten

Dreharbeiten in Babelsberg: „Der Fälscher“, eine wahre KZ-Geschichte

Ein Mann steht auf einem Balken. „Mehr wippen bitte!“, tönt es gedämpft hinter dem schwarzen Vorhang hervor, aus dem der Balken herausragt. Es ist der erste sommerliche Tag des Jahres, der Wipper aber trägt trotzig seine graue Wollmütze, angewachsen vermutlich, wie bei allen Männern fürs Grobe. Jetzt wippt er wieder, beiläufig und doch konzentriert. Auf der anderen Seite des schweren Tuchs wird aus dem Wippen ein Ruckeln: Die Kulissenbühne imitiert das Innere eines Viehwaggons, darin zwei KZ-Häftlinge und Kameramann Benedict Neuenfels, der noch nach dem richtigen Winkel sucht.

In diesen Tagen ist Drehschluss in Babelsberg. Auf Film gebannt wurde hier während den letzten Wochen die seltsame und wahre Geschichte des Geldfälschers Salomon Sorowitsch und des Druckers Adolf Burger, die im KZ Sachsenhausen britisches Geld fälschten, um die britische Wirtschaft zu destabilisieren, und dafür mit Essen, Musik und Tischtennis belohnt wurden. „Ich würde es nie wagen, KZ-Alltag zu zeigen. Das kann man einfach nicht“, sagt Regisseur Stefan Ruzowitzky („Anatomie“). „Unser Film zeigt das normale KZ nur kurz als drastisches Kontrastbild zur ‚Ferienlageratmosphäre‘ der Fälscher.“ Ruzowitzky will nicht das Grauen abbilden, sondern den Widerstreit von Pragmatismus und Moral dramatisieren. „KZ-Biografien sind ein endloser Fundus irrwitziger Geschichten, und je weiter das zurückliegt, desto freier lernen wir damit umzugehen. Wir haben hier eine große Geschichte, für die man auch ein größeres Publikum begeistern kann.“

Der Schauspieler August Diehl ist ganz froh, dass er als Adolf Burger endlich mal eine geradlinige Figur verkörpern darf. „Burger tritt als knallharter Idealist auf“, sagt er, „doch mit seinen Sabotageakten bringt er die anderen immer mehr in Gefahr, bis er sich unbequemen Fragen stellen muss.“ Ambivalenz ist diesmal die Sache von Mark Markovics, bekannt aus der TV-Serie „Stockinger“. Seine Figur des Salomon beschreibt Markovics als „schillernden Menschen: ein Antiheld, der sich über Regeln hinwegsetzt, aber nicht prinzipienlos ist. Er zieht nur andere Schlüsse: lieber morgen erschossen als heute vergast – das ist ein ganzer Tag! Sorowitsch will den Nazis nicht den Gefallen tun, sich auch noch dafür zu schämen, am Leben zu sein.“

Diehl und Markovics waren vor Drehbeginn bei einem Drucker aus Leipzig in die Lehre gegangen. In der Baracke 18 des KZ-Nachbaus wurde eine voll funktionsfähige Druckwerkstatt mit Originalmaschinen aus den Dreißigern eingerichtet, die Druckplatten hat man eigens anfertigen lassen. Das Falschgeld der „Operation Bernhard“ war damals so gut, dass es von Banken in den USA und der Schweiz als echt zertifiziert wurde. Sogar die kleinen Löcher, die gebrauchte Pfundnoten damals aufwiesen, weil man sie in verschnürten Bündeln mit sich trug und mit Nadeln zusammenhielt, wurden sorgfältig hinzugefügt. Während die Filmwerkstatt wieder abgebaut wird, liegen immer noch stapelweise Blüten herum, die die Schauspieler selbst angefertigt haben.

Gegenüber der Baracke 18 fläzen sich Nazischergen im Schatten auf der Klappbank. Zwei KZ-Häftlinge mit Salattellern huschen vorbei, man grüßt sich freundlich. „Ende der Mittagspause!“, schallt es da, die Nazis mit ihren schweren Uniformen erheben sich schleppend. Maskenbildner Waldemar Pokromski trippelt um August Diehl herum und frischt noch mal, Rossini trällernd, die Schürfwunden auf.

„Der Fälscher“ ist die erste Produktion auf dem „Neue-Film-1“-Gelände, ehemals eine Fabrik für DDR-Lokomotiven. Als die Investoren Christoph Fisser und Carl Woebcken 2004 überraschend die Babelsberger Studios übernahmen, fürchteten viele deren Umwandlung in eine reine Produktionsstätte für TV-Serienware. Das Gegenteil ist der Fall. „Babelsberg hat ein großes Art Department mit Handwerkern, die einen sehr guten Ruf genießen. Beim Fernsehen wären sie kaum ausgelastet“, sagt Fisser. „Deshalb auch das neue Gelände – damit parallel an zwei Großproduktionen gearbeitet werden kann. Mit 30 000 Quadratmetern Fläche ist Babelsberg, wo zuletzt „Aeon Flux“ und „V for Vedetta“ gedreht wurden, jetzt das größte zusammenhängende Studiogelände Europas.

In der Lokfabrik wird gerade die Ankunft von fünf jüdischen Geldfälschern im KZ gedreht. Obersturmbannführer Herzog (Devid Striesow) begrüßt sie als „Mitarbeiter“; als Privilegierte müssen sie keine Sträflingskleidung tragen. Es wird ein anstrengender Nachmittag, denn die vierminütige Szene wird mehrmals komplett am Stück gedreht, mit nur einer Kamera, die sich in jedem Durchgang einen jeweils anderen Weg um das Geschehen sucht. „Achtung, wir drehen!“ Die Einstellungen werden später kürzer, doch jedes Mal wiederholt sich das kleine Schauspiel: Einer aus der Gruppe hebt mit graziöser Gleichmut die schwere Kamera empor und legt sie sanft auf der Schulter von Benedict Neuenfels ab. Punktgenau, im letzten Moment, bevor das Spiel beginnt. Wer aber wäre zu solcher Anmut fähig? Es ist der Mann mit der Wollmütze.

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