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Salzburger Festspiele: Erklärt Pereira

Salzburg muss ein Ort der Erneuerung sein, sagt der neue Intendant Alexander Pereira. Andres Müry über die neue Zeit bei den Salzburger Festspielen.

Salzburg muss ein Ort der Erneuerung sein. Wenn sich Salzburg nicht erneuert, erneuert sich die Welt nicht, denn die Welt schaut auf Salzburg.“ Wessen vollmundige, auf die Festspiele gemünzten Worte könnten das sein? a) die des Dichters Hugo von Hofmannsthal, des Mitgründers und konservativen Revolutionärs? b) die des Reformers Gerard Mortier? c) die des derzeitigen Intendanten Jürgen Flimm?

Alle drei Antworten: falsch. Hofmannsthal wäre die Verlautbarung im Weltkrisenjahr 1920 zwar zuzutrauen gewesen. Auch Mortier hätte sie nach der sklerotischen Karajan-Endzeit gut zu Gesicht gestanden. Flimm allerding weniger: Er gibt den Festspielen lieber ein aufklärungsskeptisches Motto wie „Die Nachtseite der Vernunft“ oder in diesem Sommer das resignative vom „Spiel der Mächtigen“, das bekanntlich immer und ewig auf dem Rücken der Schwachen ausgetragen wird. Und dass die Welt auf Salzburg schaut, glaubt Flimm schon gar nicht. Die schaut, wie man weiß, auf Berlin, und darum geht er auch dorthin.

Nein, die Sätze stammen von Alexander Pereira, seinem Nachfolger in der Hofstallgasse, geäußert vor zwei Wochen auf seiner allerersten Salzburger Pressekonferenz. Die war eigentlich gar nicht als programmatische angekündigt, sondern galt der Vorstellung seines Schauspielleiters Sven-Eric Bechtolf, der 2012 Thomas Oberender beerbt.

Was also kann Pereira geritten haben? Sicher auch eine gehörige Portion Courtoisie gegenüber der Dame Festspiele. Bekanntlich übt der echte Wiener Baron vor jeder Art attraktiver Weiblichkeit den Kniefall, von der Diva Cecilia Bartoli bis zu Hotel-Kellnerinnen und „Playboy“-Models. Auch blieb nicht verborgen, dass Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler, die die Pressekonferenz moderierte, ein besonders strahlendes Lächeln zeigte.

Markus Hinterhäuser, der von Kunstkennern hochgeschätzte Konzertchef, übersetzt das Wort von der Erneuerung auf seine Weise: als Ausweitung der Intendanten-Kompetenz zu quasi „imperialer Macht“. Hinterhäuser ist, wie man weiß, mit seiner Bewerbung um die Flimm-Nachfolge zum Entsetzen vieler wohlmeinender Salzburger gescheitert. In der Findungskommission setzte sich die Pereira-freundliche Wien-Fraktion durch – sie ließ Hinterhäuser nicht einmal in den Dreiervorschlag kommen, den sie dem Festspielkuratorium vorlegte.

Als Bedingung für seinen Verbleib bei Pereira forderte der Konzertchef, dass er ins bislang aus drei Personen (Intendant, Präsidentin, Verwaltungschef) bestehende Direktorium einrückt – eine Regelung, für die er im Interesse von Kollegialität „auf Augenhöhe“ übrigens auch schon bei Flimm warb. Der Neue lehnte dankend ab, und Hinterhäuser geht 2011.

Allem Vernehmen nach wird Pereira auf der nächsten Kuratoriumssitzung im August die Verkleinerung des Direktoriums auf eine Doppelspitze präsentieren: Als Intendant übernimmt er auch die Agenda des Konzertchefs, die Präsidentin zusätzlich die des Verwaltungschefs. Bechtolf hat sich bereits von der Ambition, ins Direktorium einzurücken, als einer „Äußerlichkeit“ distanziert.

In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise ängstlich geworden, hat sich Salzburg einem Autokraten an den Hals geworfen, der an der Zürcher Oper zeigt, wie man mit allen Mitteln Geld akquiriert. Fürs gefällige Programm kann er keine allzu fantasievollen, auf die Autonomie der Kunst bestehenden Mitsprecher brauchen. Wenn das keine Erneuerung ist.

Andres Müry

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