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Kultur: "Satelliten nach Stalins Tod": Immer wieder Panzer: Ein deutsch-ungarischer Rückblick auf die fünfziger Jahre

Die sowjetische Vorliebe, sich durch Panzer auf Denkmalssockeln zu verewigen, mag den Kunstsinn der Nachwelt nicht befriedigen. Aber die Symbolwahl hätte nicht treffender sein können.

Die sowjetische Vorliebe, sich durch Panzer auf Denkmalssockeln zu verewigen, mag den Kunstsinn der Nachwelt nicht befriedigen. Aber die Symbolwahl hätte nicht treffender sein können. Am Ende waren es Panzer und nichts als Panzer, die Stalins Imperium nach seinem Tod noch 36 Jahre zusammenhielten. Jedes "Tauwetter", jeder "neue Kurs", jeder Reformversuch ermutigte Bestrebungen in den unfreiwilligen Bruderländern, einen eigenen Weg - und sei es nur zum Sozialismus - zu gehen. Jedes Mal, am 17. Juni 1953 in Ostberlin, im Herbst 1956 in Budapest, am 21. August 1968 in Prag, waren es sowjetische Panzer, die das verhinderten. Als sie im Polen der 80er Jahre ausblieben, war das Ende des Imperialismus besiegelt. Zuletzt verfiel die Sowjetunion selbst, als Boris Jelzin - übrigens auf einem Panzer - der Restauration des Regimes entgegen trat.

All das ist Geschichte, aber erst zum kleinen Teil erforschte und geschriebene Geschichte. Francois Fejtös einzig umfassende "Geschichte der Volksdemokratien" ist 1988 abgeschlossen worden, auf dem damaligen Stand der Kenntnis und ohne Zugang zu Staats- und Parteiakten. Der ist seit 1988 möglich und hat geradezu einen Wettlauf zwischen politischer Publizistik und historischer Wissenschaft ausgelöst. In einigen Ländern gibt es sogar Stiftungen und Forschungszentren, die sich nur diesem Thema widmen, wie der Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin oder das Budapester Institut der Geschichte der ungarischen Revolution 1956. Aber obwohl sie vergleichbare Themen und Zeiträume bearbeiten, ist es bisher kaum zu komparatistischer Zusammenarbeit gekommen.

Eine erfreuliche Ausnahme macht nun die Studie "Satelliten nach Stalins Tod", die vom Forschungsverbund SED-Staat dieser Tage mit Blick auf den Jahrestag 17. Juni vorgestellt wurde. Sie rekonstruiert anhand deutscher, ungarischer und sowjetischer Quellen, "wie die von Stalins Erben versuchte Reform des sowjetischen Modells von oben in zwei Satellitenstaaten des Imperiums scheiterte und im Aufbegehren der Völker gegen die Diktatur mündete". So drückt es Ungarns Staatspräsident Arpad Göncz aus, der das Buch im Vorwort als "wichtigen Beitrag zur Entwicklung nationaler Geschichtsbilder für eine europäische Perspektive" wertet. Dabei ist ihm als - einst zu lebenslanger Haft verurteilten - Akteur der ungarischen Revolution bewusst, dass beide Ereignisse "nicht singulär" waren: "1968 wiederholte sich diese hegemoniale Machtpolitik in der Tschecheslowakei. Erst gegenüber der polnischen Volksbewegung Solidarnosc versagte diese Politik der Rettung der Diktatur mit militärischen Mitteln."

Hätte man also nicht auch tschechische und polnische Partner an der Studie beteiligen sollen? Sie hat auch so ihren Wert, wenn sie die Phase des "neuen Kurses" und der "kollektiven Führung" in Russland, der DDR und Polen als ein Kapitel für sich behandelt, in dessen Verlauf die Sowjets erfahren mussten, dass ein "neuer Gesellschaftsvertrag" zwischen Partei und Volk nicht von oben bestimmt werden kann. Tatsächlich blieb der "neue Kurs Berijas" eine Episode, die von Chruschtschows Panzern in Budapest beendet wurde. Das belegen die Studien der Herausgeber, Manfred Wilke und Andras Hegedüs, und ihrer Mitarbeiter mit Altbekanntem und neuen Details.

Hannes Schwenger

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