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Schluss mit lustig: Jetzt wird gekuschelt. Diese Menschen meldeten sich freiwillig zum sogenannten präventiven Kuscheln. / Satire-Der Wahnsinn!

© dpa

Irrer Verbrecher-Wahnsinn!: Endlich: Senat macht Ernst mit Kuscheljustiz

Streicheleinheiten statt Einzelhaft: Die Berliner Senatsverwaltung für Justiz hat eine kostengünstige Alternative zum Gefängnis entwickelt. Erste Ergebnisse sind viel versprechend. Einige Täter neigten bereits zu Reue nach brutalen Gewaltverbrechen und führten ihre Überfälle einfühlsamer durch.

Pascal-Jan-Sören A. steht in Saal 237 des Kriminalgerichts Moabit. Die Jugendrichterin hebt mahnend den Zeigefinger. Nach neun Verhandlungstagen steht das Urteil fest: 70 Tagessätze Zwangskuscheln. Für den (vermutlich) erst 19-jährigen Intensivtäter bricht eine Welt zusammen. Eine Welt, die für ihn bislang aus Gewalt, Wodka-Redbull und notorischem Online Pokern bestand.

Rückblende. In der Großfamilie, in der Pascal-Jan-Sören aufwuchs, war Leistung ein ständiges Thema. Als 6-jähriger lernte Pascal-Jan-Sören das Aufbrechen von Kaugummi-Automaten, zündelte in Treppenhäusern. Seine schulischen Leistungen litten darunter. „Oft hat mein Vater mich aus dem Unterricht geholt,“ erinnert er sich heute. Zur Schule kehrte er nur zurück, um in den Pausen seine Mitschüler abzuziehen. Aber der Druck seiner Familie wuchs. Man erwartete eine bessere Performance von ihm – und wenn er nicht parierte, gab es Stubenarrest. „Seitdem schrecken mich Haftstrafen nicht mehr“, meint er.

„Dieser unmenschliche Druck hat mich fertig gemacht. Nur während der 20 Minuten auf der Sonnenbank konnte ich mich entspannen“, sagt er im Rückblick. Die Einträge im Polizeiregister mehrten sich, endlich bekam er Lob und Taschengeld. Doch nun der bittere Rückschlag. Statt der erhofften Haftstrafe 70 Tagessätze Zwangskuscheln. Die Familie, die sich bei der Urteilsverkündung auf den Bänken rekelte, würdigt Pascal-Jan-Sören keines Blickes mehr.

„Wir wollen mit dem Thema Kuscheljustiz ernst machen“, sagt ein Sprecher des Kriminalgerichts. „Bewährungsstrafen oder Jugendhaft schrecken diese Täter nicht mehr. Wir müssen dorthin gehen, wo sie wirklich empfindlich sind.“ Pascal-Jan-Sören wirkt angespannt, als er zur ersten Sitzung erscheint. Er muss seine Messer und Schlagringe abgeben, die Piercings abnehmen. „Da fühlt man sich gleich nackt und wehrlos“, berichtet er.

Erst nach einigen Minuten wird Pascal-Jan-Sören lockerer. Knuddelt zuerst einen russischen Spätaussiedler, der wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Später einen alten Bekannten aus dem Görlitzer Park. Dann waren die Straftäter bereit für das sogenannte freie Kuscheln. Pascal-Jan-Sören gleitet hinüber in eine Vierergruppe.

Seither hat Pascal-Jan-Sören 34 Kuscheltrainings absolviert. Er wirkt offener und freier. „Den Jugendlichen, denen ich vor dem Schulhof ihre iPhones abnehme, kann ich jetzt herzlicher entgegentreten. Manche umarme ich dann auch, und irgendwie spüre ich, dass sie das wertschätzen.“  (JGr)

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