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Schach-Ausstellung: Politik mit Dame und König

Eine Ausstellung in Bonn belegt die enge Verknüpfung von Schach und Politik. Vom "NS-Nationalspiel" bis zum Kalten Krieg am Schachbrett - der Kampf auf den 64 Feldern spielte stets auch eine gesellschaftliche Rolle.

Bonn - "Mancher, der sich für einen Schachspieler der Weltpolitik hält, ist in Wirklichkeit nur eine Schachfigur." Das Zitat des US-Diplomaten und Historikers George F. Kennan beschreibt nicht nur eine zeitlose politische Erfahrung, sondern auch die enge Verknüpfung von Schach und Politik: Wie kein anderes Strategiespiel ist Schach weltweit und zu allen Zeiten von der Politik vereinnahmt worden. Zugleich spiegeln sich nirgendwo sonst Strategien von Politikern so deutlich wider wie im "könglichen Spiel". Dass Schach dabei manchem Machthaber auch als Schule für militärisches und strategisches Denken diente, zeigt nun eine Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte.

Unter dem Titel "Zug um Zug. Schach - Gesellschaft - Politik" rücken die Bonner Ausstellungsmacher vor allem das 20. Jahrhundert in den Mittelpunkt - beginnend mit der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik, die im Schach ein Instrument zum geistigen Training der Arbeiterklasse sah. Arbeiterschachvereine wurden gegründet, in denen sich Kommunisten und Sozialdemokraten - seit Ende der zwanziger Jahre übrigens säuberlich getrennt - im strategischen Spiel übten. Getreu dem Motto "Arbeiter, lernt Schach, damit ihr euch geistig für den Klassenkampf rüstet", das dem alten Sozialistenführer Wilhelm Liebknecht zugeschrieben wird.

Eine noch größere gesellschaftliche Rolle wiesen die Bolschewisten dem Schachspiel in der frühen Sowjetunion zu. Dabei wurde der Kampf Proletarier gegen Kapitalist auch schon mal propagandistisch auf dem Schachbrett nachgespielt: Die Bonner Ausstellung zeigt Schachfiguren aus einer Leningrader Porzellanmanufaktur, bei denen der "König" auf Proletarierseite als stämmiger Arbeiter mit Hammer auftritt und sein Pendant auf der "kapitalistischen Brettseite" als schwarzer Ritter mit Totenmaske.

"Das geistige Wehrspiel"

Auch die Nationalsozialisten maßen dem anspruchsvollen Strategiespiel große erzieherische Bedeutung bei - sie wollten Schach als Nationalspiel des Ariertums etablieren. "Lernen wir aus dem königlichsten aller Spiele gerade für die harte Zeit des Krieges, alle seine nützlichen Eigenschaften zu betätigen", heißt es auf der in Bonn ausgestellten Titelseite des "Schach-Echos" von 1939, "für unseren geliebten Führer und Großdeutschland". Und auch der "Völkische Beobachter" gab die Losung aus: "Deutsche, spielt Schach. Das geistige Wehrspiel muss zum Nationalspiel der Deutschen werden."

Freilich waren die Bemühungen der Nazis um Instrumenstalisierung des Schachspiels längst nicht immer erfolgreich. So fand ein 1938 entwickeltes so genanntes Wehrschachspiel zur "Förderung des Wehrerziehung" nur bescheidenen Anklang bei Jugendlichen und Soldaten. Auf dessen ebenfalls in Bonn ausgestelltem Spielbrett wurde statt mit König, Dame oder Turm mit Figuren in Form von Panzern, Bomben oder Jagdfliegern gezogen.

Fischer gegen Spasski: Das Match des Jahrhunderts

Auch der Kalte Krieg wurde auf dem Schachbrett ausgefochten: Das 1972 ausgetragene Duell zwischen dem exzentrischen US-Amerikaner Bobby Fischer und dem sowjetischen Weltmeister Boris Spasski ging als "Kampf der Systeme" in die Sportgeschichte ein. Mit den beiden damals weltweit besten Schachspielern standen sich in Islands Hauptstadt Reykjavik auch die Vertreter zweier politischer Welten gegenüber. Fischer und Spasski trugen seinerzeit einen kleinen Teil des Ost-West-Konflikts am Schachbrett aus - ihr Spieltisch samt den Sesseln der Kontrahenten ist in Bonn übrigens erstmals außerhalb von Reykjavik zu besichtigen.

Dass Fischer damals gegen Spasski gewann, war für die Sowjets mehr als nur eine böse Schlappe: "Bobby Fischer hat damals die gesamte sowjetische Schachschule geschlagen", erinnert sich der Weltklassespieler Viktor Kortschnoi beim Besuch der Bonner Schach-Schau. "Das war ein großer Schlag gegen die sowjetische Überzeugung, dass Schach seine höchste Entwicklungsstufe nur in einem kommunistischen Land erreichen kann." (Von Richard Heister, AFP)

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