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Kultur: Schiffsmeldungen

Absurd: Nathan Carter in der Berliner Galerie Schipper & Krome

Es gibt intellektuelle Künstler, es gibt Bauchkünstler – und es gibt Spieler. Zu Letzteren zählen beispielsweise Alexander Calder oder Roman Signer, Fischli & Weiss und Panamarenko. Bei aller Verschiedenheit verbindet diese Künstler eine Haltung, die dem Ernst des Lebens und der Kunst mit einem Sinn für teils absurden Humor und überraschende Konstellationen begegnet. Nathan Carter darf als einer der jüngsten Vertreter dieser Spezies betrachtet werden. Die Berliner Galerie Schipper & Krome präsentiert derzeit die erste Einzelausstellung des 1970 geborenen Amerikaners in Europa, parallel zu seiner Teilnahme an den Ausstellungen „Nation“ im Frankfurter Kunstverein und „GNS“ im Pariser Palais de Tokyo.

Wer mit dem sonst eher konzeptuell orientierten Programm der Galerie vertraut ist, mag zunächst von der bunten Verspieltheit der gezeigten Objektgruppe überrascht sein. Fünf fragile, aus zersägten Sperrholztafeln montierte und mit bunten Ikons bemalte Gebilde sind locker im Raum gruppiert. Teils in gefährliche Schieflage gekippt und mit hochragenden fühlerartigen Antennen versehen, vermitteln sie den Eindruck von einer die Gesetze der Statik spielerisch aushebelnden Leichtigkeit. „Five Ocean Boats with Radio“ nennt der Künstler seine Inszenierung, ein lakonischer Titel, der das Assoziationsvermögen des Betrachters zwar in sichere Gewässer lenkt, aber gleichzeitig dazu einlädt, über den tieferen Sinn der heiteren Bastelarbeit nachzudenken. Warum Schiffe? Und wo ist das Radio?

Nathan Carter ist kein Freund klarer Antworten. Als ein Kind der Generation des Poststrukturalismus weiß er um die komplexe Vernetzung von Sinn- und Ordnungssystemen. Seine künstlerische Arbeit zielt denn auch weniger darauf, Zusammenhänge herzustellen, als unterschiedliche Diskurse in parodistischen Übersteigerungen zu kombinieren und gleichermaßen ad absurdum zu führen. Deutlich wird diese Strategie in einer Reihe von fragmentarischen Texten, die der Künstler zusammen mit Liam Gillick verfasst hat und in denen Statements zur Kunst, politische Beobachtungen zu internationalen Krisengebieten, Kommentare zu Musik und Autos sowie kommunikationstheoretische Überlegungen unvermittelt aufeinander prallen. „Mapping the unmappable“ lautet eine der Schlüsselformulierungen dieses Textkonvoluts, die auch die Regeln für „Five Ocean Boats“ bestimmt.

Denn es geht um nichts weniger als die Darstellung einer zunehmend komplexen und unüberschaubaren Welt. Carter selbst weist immer wieder auf den Symbolcharakter seiner bildnerischen Motive hin, etwa wenn er Schiffe als Sinnbilder für Mobilität und transnationale Beziehungen anführt oder vom Radio als Träger von Kommunikationsprozessen spricht. Aus dieser Perspektive erschließen sich seine „fragilen Fregatten“ schließlich als instabile Repräsentanten von Versuchen, die Dinge noch ganzheitlich oder zumindest in logischen Zusammenhängen sehen zu wollen. Dass dieser Wunsch nach Ordnung und Übersicht nur mit einem ironischen Augenzwinkern formuliert werden kann, versteht sich fast von selbst. Aber dass Nathan Carter mit „Five Ocean Boats“ eine Arbeit geschaffen hat, die mühelos auch ohne diskursive Links funktioniert, verdankt sich mit Sicherheit seiner Spielernatur.

Galerie Schipper & Krome, Linienstr. 85, bis 30.7., Dienstag bis Sonnabend 11-18 Uhr.

Anja Osswald

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